Film

Rückkehr ins Leben
von Klaus Antes
DE 1986 | 53 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 10
06.11.1986

Diskussion
Podium: Klaus Antes, Günter Handwerker (Kamera)
Moderation: Bärbel Schröder
Protokoll: Michael Kwella

Protokoll

Das eigentliche Gespräch begann mit der Frage, ob man denn das noch filmen könne. Der alte Mann auf der Intensivstation sei doch bereits einer quälenden und hilflosen Situation ausgesetzt gewesen – und nun wäre er obendrein der Kamera ausgeliefert. Sie, die Moderatorin, hätte den Film beim ersten Sehen an Stellen kaum ertragen und zwischendurch ausgeschaltet – natürlich auch, weil eigene Ängste von ihr angesprochen worden seien: Die vor dem sich Ausliefern, die vor Gebrechlichkeit.

Antes: Auch für sie sei die Arbeit sehr anstrengend und belastend gewesen – bis hin zu dem Punkt, wo sie die Dreharbeiten am liebsten abgebrochen hätten. Ihnen sei es wichtig gewesen, die Geschichte der Begegnung des alten Mannes mit den drei Frauen (Krankenpflegerinnen) darzustellen: Seinen Willen zur Selbstbehauptung zu zeigen und wie ihn die drei in seinem Kampf unterstützt hätten – weil sie seine Anstrengungen gesehen hätten.

Für ihn sei eine wichtige Botschaft des Films, daß der Mensch auf den Menschen angewiesen sei; entsprechend träte in den Bildern die technische Apparatur mehr und mehr in den Hintergrund. Hätte der Alte sich selbst aufgegeben, hätte die gesamte Technik nichts nutzen können.

Antes sei vor den Dreharbeiten 14 Tage lang im Krankenhaus gewesen und habe Kontakt mit dem Mann aufgenommen. Dies sei nach Abschluß der Re-Animation geschehen, wobei die ersten Begegnungen nur über Augenkontakt möglich gewesen seien, da der Alte weder sprechen noch richtig hören gekonnt habe; später habe er dem Alten den Sinn der Filmaufnahmen erklären können und per Blick sein Einverständnis mit ihnen erhalten.

Antes und Günter Handwerker, sich jeweils ergänzend: Zum Drehbeginn habe es lange Gespräche über die Vergehensweise gegeben – ihre Maxime sei geworden, still zu beobachten, Distanz zu wahren, nichts Spektakuläres zu zeigen. Die Dreharbeiten hätten 14 Tage und teilweise die Nächte gedauert; besonders schwer sei der Anfang gewesen: Sie hätten das Gefühl gehabt, nutzlos herumzustehen, erst nach drei bis vier Tagen hätte sich das Gefühl einer Zusammenarbeit mit den Pflegerinnen entwickelt – mit ihnen zusammen für den Alten zu arbeiten. Zwar wären sie ihnen ob der Enge des Raumes und der ständigen Präsenz sicher zur Last gefallen, doch andererseits habe das Team für den Mann die Außenwelt repräsentatiert – das also, was für ihn seine Anstrengungen lohnenswert gemacht habe.

Handwerker: Während der ersten Tage des Drehs habe er ungeheure Schwierigkeiten gehabt, weil er im Gegensatz zu Antes noch keinen Kontakt zu dem Alten hätte finden können. Sein Gefühl sei gewesen, Voyeur zu sein; er habe die ersten beiden Tage nicht drehen können. Dann, nach Auseinandersetzungen mit Antes, habe er begonnen, doch es kaum ertragen, nur anderthalb Meter von dem Mann entfernt, ihm mit der Kamera vor Augen gegenüberzutreten. Er habe Angst vor der Situation gehabt und Angst davor, diesen Menschen anzuschauen; er sei kurz vor dem Ausstieg aus dem Film gewesen.. Dann dann habe er das Gefühl gewonnen, der Alte sei mit den Aufnahmen einverstanden, und damit sei er in der Lage gewesen, Bilder zu machen – oft mit der Distanz vom Gang zum Zimmer her, aber auch aus der Nähe, wobei die Entscheidung für die Bilder meist instinktiv gefallen sei.

Antes: Auch ihm habe das nahe Herangehen an den Mann teilweise den Magen umgedreht. Ein alter Körper – er habe sich manchmal zwingen müssen hinzuschauen. In unserer Gesellschaft zähle eben nur der junge Körper.

Im Laufe der Dreharbeiten hätten sie sich langsam an den Alten herangetastet; sie wollten ihn nicht verletzen, trotzdem an ihm „dranbleiben“ und seine Situation zeigen. Kritiker hätten geäußert, der Film spiegele großen Respekt vor der Würde des Mannes – eine Einschätzung, die von mehreren Redner/innen an verschiedenen Stellen geteilt wurde.

Eine Zuschauerin: Ihr habe die Konzentration des Films auf nur einen Patienten und auf ihn im Umfeld der Intensivstation sehr gut gefallen. Ebenso die Darstellung von Krankenpflege als etwas Professionellem, was Kenntnisse und Techniken erfordere und nicht aufs bloße Helfenwollen sowie Händchenhalten reduziert sei. Allerdings sei die gezeigte Station nicht typisch, normalerweise müsse das Personal zwei Patienten betreuen, was ständige Hetzerei mit sich bringe und die Unmöglichkeit, sich einem Menschen so wie im Film gezeigt zu widmen. Verschiedene Stimmen bestätigten den ungewöhnlichen Charakter der Station aus eigener Kenntnis, u.a. auch die ungeheuer beschränkten räumlichen Verhältnisse, trotz/vielleicht wegen derer es zwischen dem Personal eine gute Zusammenarbeit und einen ausgeprägten Teamgeist gäbe.

Ein Zuschauer äußerte Skepsis: Ob nicht der Chef der Station angesichts der Filmaufnahmen eine besondere Pflege angeordnet hätte? Antes: Nein, die Pflegerinnen hätten ganz normal gearbeitet, hätten auch nichts extra für die Filmaufnahmen getan oder wiederholt; das Team hätte Tag um Tag das Geschehen beobachtet und sich die Bilder genommen, die es hätte haben wollen. Orientiert wären die Aufnahmen ausschließlich an der medizinischen Chronologie.

Verschiedentlich wurde das Konstruktive und Anregende des Films für die eigene Arbeit gelobt. Besonders die Arbeit der Kamera stieß auf Gefallen: Man sähe die emotionalen Reaktionen des alten Mannes ebenso gut wie die des Personals. Und: Klug sei es, auf das Zeigen von Blut oder anderem eventuell Abstoßenden verzichtet zu haben und bei entsprechenden Stellen die Kamera stattdessen auf z.B. die Gesichter des Personals zu richten. So könne beim Zuschauer kein Ekel entstehen und er den Film weiterverfolgen; außerdem würde der Blick auf die Gesichter sehr stark das Menschliche während des Arbeitens vermitteln. Auch der Zeitpunkt, an dem der Film mit seinen Beobachtungen anfinge, sei gut gewählt: Nach Abschluß der Re-Animation. Während dieser würde man vom Patienten kaum etwas sehen, er sei verdeckt von der Sauerstoffmaske, von zahlreichen Schläuchen, Zu- und Ausgängen – ein Anblick, der nur abstoßen würde. Antes: Genau aus diesem Grund habe er den Zeitpunkt bewußt gewählt.

Eine weitere Äußerung aus der Runde: Der Film würde Ängste abbauen, er zeige, da seien auch Menschen, nicht nur Maschinen. Die Darstellung eines realen Tagesverlaufs etwa oder eine größere Betonung der Technik hätten allenfalls abgeschreckt.

Antes zu seinen Motiven für diesen Film: Er beschäftige sich viel mit Grenzsituationen – die Intensiv- als eine Grenzstation habe ihn interessiert. Und er habe zeigen wollen, daß der Mensch trotz aller und gegen alle Technik überleben könne.