Protokoll
Mit dem Hinweis auf die Ausstrahlung des Videos am Donnerstag, den 19.12.1985 um 20.15h im ARD-Hauptprogramm gab Dietrich Leder der Diskussion eine Perspektive vor, die jedoch von den Zuschauern nicht aufgegriffen wurde. Obwohl auch Thomas Schmitt in bezug auf die Projektion hier im Kinosaal sein Video als zu schnell empfunden hatte, war die Fernsehästhetik des Bandes kein Thema des Gesprächs.
In der Diskussion wurde vor allem die Haltung des Filmemachers gegenüber seinen Protagonisten erfragt. Der Aufbau des Videos und damit verbunden die Präsentation der Jugendlichen im „Alten Wartesaal“, der Boutique „235“ und den Musikern im „Wave“ waren einigen Zuschauern nicht präzise genug. Mann hätte sich gewünscht, in einem Beitrag über die kulturellen Ausdrucksformen der Jugendlichen mehr über die Jugendlichen selbst zu erfahren.
Gegenüber „Liebe und Randale“(l980/81) und den dort interviewten und dargestellten Punks seien in „Cooltur“ die Fremdheit zwischen dem Filmemacher und den Jugendlichen augenfällig, konstatierte Dietrich Leder und beschrieb damit den Eindruck, daß in dem aktuellen Video Thomas Schmitt nicht dieselbe Nähe zu seinen jugendlichen Protagonisten gefunden habe. Diesen Eindruck vermittle etwa die Sequenz, in der sich die Jugendlichen Besucher des „Alten Wartesaals“ vor einer weißen Kachelwand präsentieren und befragt werden. Die benannte Einstellung erläuterte Themas Schmitt als eine produktionstechnische Bedingung; die Küche wäre der ruhigste Ort gewesen. Doch die Feststellung, daß im Unterschied zu „Liebe und Randale“ unter Verwendung derselben Frageweise und mit derselben Arbeitsmethode weniger über die Jugendlichen in Erfahrung zu bringen gewesen sei, habe auch er während des Drehs bemerkt. Erst bei der Montage sei ihm dann aufgefallen, daß in dem aufgezeichneten Material einiges enthalten ist. Der polemischen Vorhaltung, daß das Band die Oberflächlichkeit eines Spiegel-Artikels zur ‚Jugend von heute‘ besitze, hielt Thomas Schmitt entgegen, daß man genau hinsehen und -hören müsse, daß in den Zwischentönen durchaus ein Bild von den Jugendlichen enthalten sei. Zum anderen wies er daraufhin, daß die Jugendlichen selbst weniger provokativ sich äußern würden als die Punks, daß sie von einer gewissen Ratlosigkeit bestimmt seien.
Gegenüber der Vorhaltung, daß das Video zu wenig von den Jugendlichen zeige, argumentierten andere Zuschauer mit Beobachtungen aus dem Band. Bei den Künstlern aus dem „Wave“ werde deutlich, daß die Utopie sich in der ästhetischen Produktion, eben auch in der Gestaltung des Äußeren, zeige und eben weniger in sprachlich fixierten Standpunkten. Explizit benenne einer der Musiker die Kunstproduktion als Suche nach Wahrheit. Daß in der Gestaltung des Äußeren Momente von Kunstproduktion wie Zitatcharakter, Mühe der Ausformung sichtbar werde, hierauf verwies Dietrich Leder mit Nachdruck. Denn das Äußere der Jugendlichen sei die Antwort, die etliche Zuschauer in den Interviews bzw. der Filmarbeit vermissen würden.
Dennoch blieb der Vorwurf bestehen, daß Themas Schmitt seine Protagonisten nur vorführe und das Gefühl, daß sich der Filmemachern seinen jugendlichen Darstellern nicht habe annähern können. Diese Kritik an der Haltung des Filmemachers kulminierte in dem Vorwurf, daß er auf Kosten der Jugendlichen Lacher produziere. Das Lachen im Kino sei aus Sympathie erfolgt, es war kein Auslachen korrigierten andere. Auf jeden Fall war es nicht seine Absicht, die Jugendlichen zu denunzieren, bekundete Thomas Schmitt.
Das Mißtrauen gegenüber dem Filmemacher wurde im weiteren noch mit dem Eindruck begründet, daß der Film wie in einer Peep-Show seine Protagonisten vorführe; letztlich sie nur zeige, um dem (Fernseh-) Zuschauer Amusement zu bieten. Auch die Aufnahme der Musikclips in den Beitrag wurde diesem Zweck, das Band aufzupeppen, untergeordnet und nicht als Belegstellen gewertet. Es wurde in dieser Kritik nicht akzeptiert, daß die Aufnahme der Clips einen Kontext zum Äußeren der Jugendlichen begründet.
Doch sowohl diese, wie auch die Kritik an der Videoclip-Ästhetik des Bandes war nicht allen Zuschauern einsichtig. Wenn auch, ob kritisch gewendet oder nicht, vielen das Sehen des Videos Spaß gemacht hatte.
Fast als Beleg für die eher unpolitische (Selbst-)Darstellung der Jugendlichen in „Cooltur“ verglich Thomas Schmitt die Reaktionen der Jugendlichen dieses Bandes mit denen von „Liebe und Randale“. Die Punks aus „Liebe und Randale“ waren mit ihrer Wiedergabe einverstanden gewesen, die Jugendlichen aus „Cooltur“ sind nach Ausstrahlung auf Distanz gegangen, weil sie sich vor den eigenen Äußerungen scheuten und in keinem Film mitwirken wollten, in dem Drogenkonsum angesprochen wird.
Zum Ende des Gesprächs machte Thomas Schmitt nochmals klar, daß er diese Ästhetik des Abrupten, des Ausstellens will, nicht nur weil damit vielleicht die Zuschauer eher angebunden werden.