Protokoll
Weniger dem Film als dem späten Termin – es war der vorletzte Film im Programm – war es zu schulden, daß nur wenige Zuschauer das Gespräch mit dem Filmemacher begannen, der – diese Anmerkung sei dem Protokollanten gestattet – einen erfreulich bescheidenen, gar nicht auftrumphenden Eindruck hinterließ. Waldemar Hauschild ging auch mit der, allerdings nur in Ansätzen deutlich werdenden Kritik aufmerksam um, gab ihr durchaus Recht, um an anderen Punkten auf seiner Sicht der Dinge zu bestehen, ohne die Meinung des Gegenüber gleich zu diskretitieren.
Der erste Diskussionsstrang galt der Frage, inwieweit die Auswahl der beiden Protagonisten typisch für die Bewegung ist, der sie angehören . Die einen fragten kritisch an, ob der Widerstand gegen das Atomkraftwerk Pfaffenhafen eine „Zwei-Mann-Bewegung“ sei, wie es der Film vermittle. Die anderen fanden es gerade gut, daß sich Hauschild auf einige wenige Menschen aus der Bewegung konzentrierte, so sei sichtbar geworden, wie beispielsweise der Tierarzt Jochen Meyen mit sich kämpft, wenn es um Fragen des konkreten Widerstands gegen das AKW geht. Hauschild beschrieb die Beschränkung auf zwei Protagonisten als eine Konzentration um der Sache willen . Der Tierarzt sei jemand, der in der Bewegung sage, wo es lang gehen soll. Und der Landwirt Alois Sailer stehe als Beispiel für die Bauern der Umgebung, die sich systematisch mit den Problemen des AKWs beschäftigt hätten. Bei beiden „war es nach zwei Sätzen klar, die oder gar nicht!“
Zweiter Diskussionsstrang: Ein Zuschauer fand die „konservative Grundhaltung in der Problemdarstellung störend“. Seiner Meinung nach gehöre es zur Pflicht eines politischen Filmes, eine gewisse Abstraktion des konkreten Einzelfalls zu erreichen, Distanz zum Stimmungsbild zu schaffen, um so erst die Analyse durch den Zuschauer zu ermöglichen. Es dürfe, damit den ersten Diskussionsstrang berührend, nicht von den Überzeugungsstufen einzelner mit dem Problem Vertrauter abhängen, ob die Sache, das Problem im Film angemessen erfasst sei. Im übrigen fände er den Film „behäbig“, das resultiere aus der Anstrengung um das perfekte Bild, aus dem Bemühen einen „Kinostandard“ zu erreichen. Hauschild erwiderte auf diese (doch auch ins Allgemeine, in die Theorie des politischen Films, in die Theorie der politischen Bildung reichenden) Anmerkungen konkret: Es wäre auch darum gegangen, Bilder für eine Bevölkerung zu finden, die von anderen Bildern abgestoßen worden wären. Die Menschen im Donauried seien konservativ, was sich politisch bei Wahlen im Spruch zeige: „Hier wählt man christlich oder gar net“. Um die gehe es aber bei diesem Konflikt, deshalb sein Bemühen um solche perfekten Bilder. Es sei eine Glücksache für einen Anfänger wie ihn, wenn man die Bilder bekommt, die man sich zuvor ausgedacht hatte. Es sei allerdings auch einiges schief gelaufen, manches sei wie die Vertreterbesuche der AKW-Industrie oder ein Auftritt von CSU-Tandler nicht filmbar gewesen.
Es schloß sich eine Debatte um Einzeleinstellungen des Filmes zwischen Zuschauern an, ob sie das Gewünschte transportierten oder nicht. Meinungen stießen auf Meinungen, dabei blieb’s. Hauschild dazu: „Diese Auseinandersetzung ist typisch, den einen genügt halt ein bestimmtes Bild, dem anderen nicht“.
Noch einmal setzte der vorhin weit ausholende Zuschauer zu einer generellen Diskussion an, indem er darauf hinwies, daß man sich bei solchen Filmen hüten müsse, die Landschaft, so wie sie heute sei., als Idylle zu begreifen. Auch diese Landschaft sei keine Natur, sondern selbst das Ergebnis von Kultivierung. Und heute trete die Landwirtschaft, die sich doch scheinbar um diese Idyllen kümmern würde als Umwelt zerstörender Faktor (dank ihrer Pestizide, dank auch ihrem industrialisierten Abbau) auf. Hauschild blieb auch diesmal konkret, beschrieb, wie die Bauern, die sich am Kampf gegen das AKW beteiligten, sich gleichzeitig für andere Umweltfragen sensibilisierten, so auch begännen, ihre eigene Umwelt zerstörende Praxis zu relativieren, kritisch zu überprüfen. Gerade die Erfahrungen mit dem AKW Grundremmingen, das ca. 25 Kilometer von Pfaffenhafen entfernt liege, habe die Angst vor nicht wieder rückgängig zu machenden Folgen geweckt, habe den Zusammenhang ökologischer Prozesse verdeutlicht. Gegen Ende der Diskussion berichtet Hauschild noch, wie der Film bislang eingesetzt werde. („vor Ort“), daß er jetzt bei einem Verleih (Basis-Film, Berlin) ausleihbar sei. Er habe zwei Jahre daran gearbeitet, und das Thema sei für ihn noch nicht abgeschlossen: „Ich würde gern einen zweiten Teil drehen, dann, wenn es brenzlig wird.“ In diesem Zusammenhang wies er auf die Perversion hin, als Filmemacher reagieren zu müssen, wenn es losginge.
Bevor die Diskutanten auseinandergingen, wurde noch einmal über die Grundsatzfrage Duisburger Diskussionen gestritten, ob die Filmwoche eine Veranstaltung sei, bei der über die Form gesprochen werde und weniger über den Inhalt (Michael Springer), oder ob das Gegenteil der Fall sei. Ein Schweizer Kollege schloß salomonisch diese immer währende Debatte mit dem Satz ab: „Es muß über alles geredet werden, denn es gehört alles zusammen, oder?!“