Protokoll
Nachdem Hanns-Christoph Koch die Zusammenarbeit als eine beschrieben hatte, bei der Maurice Eberl-Rothe eher die Autorenschaft zuzuschreiben sei, berichtete dieser die Vorgeschichte des Films. Sie hätten vor einigen Jahren in Cannes einen lateinamerikanischen Film gesehen, der dieses Thema unter Anklage von Bebring in Brasilien aufzeigt. Da gie dieses Thema sehr wichtig finden, hätten sie danach versucht, diesen Film für die Mannheimer Filmwoche vorzuschlagen, wo jedoch der Film nicht gezeigt wurde. In Zusammenarbeit mit dem Bundeskongreß entwicklungspolitischer Gruppen hätten sie daraufhin ihren Film realisiert. Das Wissen hierzu haben sie sich bei Medizinern erworben.
Hier unterbrach ein Zuschauer die Ausführung mit der Frage, welcher konknte Zusammenhang zwischen dem Sammeln menschlichen Blutes und der Erstellung von Kosmetika bestehe, da dieser im Film nicht deutlich werde.
Hanns-Christoph Koch machte hierzu keine genaueren Angaben. Vielmehr verwies er da~f, daß es für sie schon wichtig gewesen wäre, diese Information, die sie während der Dreharbeiten erhalten hatten, in den Film einzubringen. Sie wolllen die Geschäfte der Industrie mit der 3.Welt auch weiterhin aufhellen und wies darauf hin, aaß eine in Göttingen ansäßige Kosmetik- und Arzneimittelfirma Embryos aus Nordafrika aufkaufe.
Die Arbeit der Filmemacher kritisierte dann ein Arzt als Weitergabe von Halbwahrheiten. Denn man müsse auch immer sagen, wofür menschliches Blut benötigt werde, daß es als medizinische Indikation gebraucht werde.
Diesen Angriff versuchten die Filmemacher zunächst mit der Vermutung, daß der Arzt einer Firma angehöre, zu entkräften. Nachdem dieser dies verneinte, hielt Hanns-Christoph Koch der Kritik entgegen, daß mit Blut durchaus überflüssige Medikamente erste~t werden würden. Die geringe Information über die Anwendungsbereiche der aus Blut produzierten Medikamente, gestand er ein, sie sei schon des öfteren bemängelt worden. Nur sie hätten nicht beabsichtigt, daß Thema voll abzudecken, sondern hätten weiße Flecke belassen, um die Zuschauer anzuregen, sich selber damit auseinanderzusetzen.
Diese Einlassung der Filmemacher fand eine Zuschauerin unangemessen. Denn es sei durchaus legitim, was der Film leiste, erstmal nur aufzuzeigen, daß die 3.Welt ausgebeutet wird.
Der Arzt erläuterte nach Aufforderung seinen pauschalen Vorwurf an der Szene der Blutentnahme. Sie sei unnötig dramatisiert und beinhalte die Fehlinformation, daß es zu Venenverhärtungen komme. Auch sei im Film nicht erwähnt, daß die aus dem Blut gewonnenen Seren helfen, Infektionskrankheiten einzudämmen. Der Hinweis auf die Impfung anläßlich einer Urlaubsreise diene keinesfalls einer sachlichen Darstellung.
Die Absicht des Films sei es keinesfalls, zu behaupten, daß diese Medikamente überflüssig seien. Es gehe darum, so Hanns-Christoph Koch, aufzuzeigen, daß diese Medikamente nicht oder nur selten denen zugute kommen, die ihr Blut hierfür hergeben. Daher würde der Film auch auf den überproportionalen Verbrauch dieser Medikamente in der Bundesrepublik verweisen. Ansonsten könne er zur Verwendung der Medikamente nur auf die Aussagen von Fachleuten vertrauen.
Gegen die Ausführungen des Arztes setzte eine Krankenschwester ihreJgenteilige Erfahrung. Die im Film drasti sch gezeigte Blutentnahme mache deutlich, daß Hygienevorschriften nur unzureichend beachtet werden. Auch sei der Hinweis auf die Gefahr einer Venenverhärtung keineswegs falsch, denn bei Dialysepatienten werden ja deshalb künstliche Veneneingänge angelegt.
Desweiteren wurde der Film gegen den Einwand, Halbwahrheiten zu behaupten, mit der Notwendigkeit, dieses Geschäft anzuprangern, verteidigt. Der Film zeige deutlich, daß Menschen genötigt sind, um zu überleben, ihr Blut zu verkaufen, das dann in Europa wie Konfetti verstreut wird. Und Schlachthofblut in Form besonders nahrhaften Brots gehe dann in die 3.Welt zurück. Der Film kritisiere die Macht der Pharmakonzerne, die den Menschen als Rohstoffquelle für einen künstlichen Markt in der Bundesrepublik benützen. Für diese Zuschauer waren die Einwände des Arztes daher sekundär oder galten gar als Verteidigung dieses Geschäftes. Bei diesem grundsätzlichen Einverständnis mit dem Film und seinem Anliegen, ergab sich nur die Frage nach vermuteten Repressalien während der Dreharbeiten.
Gegen diese Aufnahme des Films setzte Gabi Voss ihre Kritik. Der Film zerstöre bei ihr gerade die Glaubwürdigkeit der Bilder durch die emotionale Dopplung der Information, wie zum Beispiel in der Sequenz zu den US-Gefängnissen. Hier werde nahegelegt, daß den Gefängnisinsassen durch die Gitterstäbe ihrer Zellen das Blut abgezapft werde. Der Film verliere durch diesen Einsatz filmischer Mittel.
Gegensätzlich hierzu wurde gesagt, daß die aufgezeigt Realität kaum zu glauben wäre, die Filmemacher jedoch durch ihre mutige Herangehensweise einen phantastischen Dokumentarfilm geschaffen haben.
Hanns-Christoph Koch warf in die Diskussion ein, daß dieselbe Kritik an den filmischen Mitteln den brasilianischen Film aus dem Fernsehen und von Festivals ferngehalten hätte. Er fände seinen Film so aber richtig, wenn die Aussagen geglaubt werden. Die Dramatisierung habe ihre Ursache auch darin, daß sie lediglich in einem Vorzeigezentrum Dreherlaubnis erhalten hätten, was sehr sauber und hell wirke, Obwohl auch hier, wie sie selber, viele bei der Blutabnahme ohnmächtig werden würden. Viele Spender überstehen den Tag der Blutspende nur mit Alkohol und die meisten Zentren sei richtig gruselig, was nicht sachlich zu dokumentieren wäre.
Die Diskussion, die Edith Schmidt erneut mit dem Hinweis auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit unterbrach, setzte sich an diesem Punkt der Kritik fort. Einwände gegen die filmische Darstellung, wie der Film benütze die Bedeutung von Blut als Lebens saft, die Zusammenhänge würden nur unpräzise benannt wurden mit der Befürwortung des moralischen Anliegens des Films von anderen Zuschauer diskreditiert.
Nachdem der Inhalt des Films durch zahllose Informationen erweitert worden war, wurde dann dfe Kritik, daß der Film mit „verbrauchten Bildern des politischen Dokumentarfilms “ arbeite und ein zu glattes, programmiertes Gesamtbild schaffe, mit dem Hinweis auf den Einsatz der Handkamera vom Tisch gefegt. Für diese Art des Dokumentarfilms , einen Film für Laien zu machen, der eben nicht langweilig sein muß, sprach sich Axel Engstfeld aus. Er fand es richtig, daß der Film emotionalisiere, daß er jedes Register zieht.
Hanns-Christoph Koch betonte nochmals, daß er diese Dopplung durch Emotionalisierung auch weiterhin einsetzen werde. Auch wenn der Film Schwächen hätte, so•die Emotionalisierung keine. In bezug auf das Genre meinte er , daß die Dokumentarfilme oft zweigeteilt wären, in einen sachlichen Bericht und die Emotionalität der Betroffenen, hinter der sich die Filmemacher verstecken.
Werner Ruzickas Anliegen, übe r den Musikeinsatz und über die für ihn problematische Gleichsetzung von Blut und Lebenssaft im Film zu diskutieren, blieb uneingelöst, weil die Diskussion aus Zeitgründen einfach abgebrochen werden mußte.