Film

Ohne Liebe ist man höchstens geschickt
von Ingrid Anna Fischer
DE 1981 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 5
1981

Diskussion
Podium: Ingrid Anna Fischer
Moderation: Jutta Uhl
Protokoll: Uli Veith

Protokoll

Der im gleichen Programm block gezeigte Film Im Turm – Hausbesetzer in Kreuzberg von Wieland Backes wurde noch nicht diskutiert, da von den an der Produktion Beteiligten niemand anwesend war. Für die Auswahlkommission erklärte Jutta Uhl, die beiden 45-Minuten-Filme seien als Beispiele zusammengefaßt worden für Möglichkeiten, die „Fernsehnorm“ zu nützen.

Nach allgemeinem Lob von Mann/Frau für diesen einfühlsamen „Geburtsfilm“ erläuterte die Filmemacherin, daß ihr die Darstellung der Hebamme, ihrer Arbeit und Möglichkeiten bei der Geburtshilfe das Wichtige am Film gewesen sei. Diesen ihren ersten selbst produzierten Film wollte sie ganz nach eigenen Vorstellungen gestalten. Ergebnis sei eine erste Fassung von 90 Minuten Länge gewesen, die dann aber eben (Fernsehen) hätte komprimiert werden müssen. Dadurch seien einige Seitenstränge (z. B. ein weiterer Take mit den Ärzten) ganz weggefallen, weil sie sich entschieden habe, ganze Einstellungen auszusparen, anstatt insgesamt alles einfach zusammenzukürzen. Insgesamt sei aber für sie wesentliches nicht weggefallen.

Zustimmung fand die Entscheidung der Autorin, Arbeit und Möglichkeiten der Hebamme am Beispiel der Geburtshilfe im Krankenhaus zu zeigen. Die Filmemacherin hatte sich bewußt zum Beispiel gegen eine Darstellung von Ausgeburten entschieden um möglichen Idyllisierungen/Idealisierungen von vornherein zu begegnen, also keine Ausnahme Situation darzustellen, die möglicherweise nicht mehr nachvollziehbar gewesen wäre. Gerade darin wurde eine Stärke des Films gesehen, das nicht unerreichbare Ideale vorgeführt würden, deutlich erfahrbar werde das auch im Krankenhaus, immer noch vor der meisten Geburten, menschliche Lösungen möglich sind. Großes Lob erhielt auch die Kamera, die einerseits sehr deutlich die Anstrengungen der Geburt vermittelt habe, sich den Frauen sehr einfühlsam genähert habe, ohne aufdringlich und unangenehm direkt zu werden. Die Frage, ob nicht das sehr stark vermittelte Glücksgefühl der Eltern über die gelungene Geburt am Schluss des Films das inhaltliche Darstellungsinteresse (Arbeit der Hebamme) überlagere und dadurch vergessen werden könnte meinte Karin Schoberth, es sei gerade ihr Beruf, so etwas dabei zu führen.

Der Einwand, es wäre schön gewesen, wenn die von der Hebamme im Gespräch beim Kaffee verbalisiert einen „utopischen Elemente“ einer Geburt und ihrer Möglichkeiten mit filmischen Mitteln umgesetzt worden wären, wurde von der Filmemacherin mit der Entscheidung gegen jede Form von Idealisierung zurückgewiesen. Gleiches gelte auch für die Entscheidung, nicht nur eine Geburt zu zeigen, wodurch möglicherweise die zeitliche Dimension einer Geburt (8-12 Std.) hätte erfahrbarer werden können als im Film, der sich im wesentlichen auf den Geburtsvorgang selbst konzentriere. Einige Zuschauer hatten dies kritisiert und eine für eine Schaltung der zeitlichen Dimension gefordert, zumal nach Aussage der Hebamme das wichtigste sei, dass eine „Geburt dauert“.

Ein wenig vermißt wurde eine Darstellung der Vor- und Nachbereitungsarbeit der Hebamme zusammen mit den Eltern. Dazu erklärte Karin Schoberth, daß sie dies zwar wünsche und mache, aber nur in einzelnen Fällen, da in den Kliniken in der Regel Nachbesuche nicht erwünscht seien. Es sei also die Ausnahme, wenn eine weitere Nachbetreuung möglich sei. Auch der Wunsch, mehr über die Eltern nach der Geburt zu erfahren, etwas von ihrem Umgang mit dem Kind etc. zu sehen, konnte nicht Aufgabe des Films sein, sondern allenfalls Thema eines neuen.

Eine Auseinandersetzung gab es um die Frage, inwieweit die Frau, die ihr Kind in „schmerzloser“ Geburt mit Hilfe von Medikamenten zur Welt bringt, als Exempel für die These der Filmemacherin mißbraucht worden sei. Einen solchen Verdacht legte die Montage nahe, einige Zuschauer fanden dies Vorgehen geradezu denunziatorisch. Die Frau werde benutzt, da der Zuschauer nichts darüber erfahre, warum sie diese Art von Geburt mache, es entwickele sich ein Widerwillen gegen die Frau, ohne daß klar würde, ob der angebracht sei. Zu dieser Frage nach der Zulässigkeit der gewählten Darstellungsweise meinte die Filmemacherin, sie habe natürlich einen Standpunkt, den sie dabei nicht auslassen könne, empfinde es aber nicht als Denunziation o. ä. Andere stimmten ihr zu, zumal deutlich geworden sei, daß Krankenhäuser Geburtsmaschinen und Ärzte Vertreter dieses Apparats seien, also auch klar sei, daß, wer sich für eine solche Geburt entscheide, auch unter gewissem Druck handele. Außerdem entwickele sich durch die Darstellung zweier Möglichkeiten von Geburt im Film und die manifeste unterschiedliche emotionale Situation der Frauen dabei viel eher ein Widerwillen gegen das, was in den Krankenhäusern mit den Frauen gemacht werde als gegen die Frau selbst.

Für Aufregung sorgte noch die Mitteilung, daß das Paar, mit deren glücklicher Reaktion auf die Geburt ihres Sohnes der Film endet, sich noch kurz vorher habe trennen wollen. Dieses Vorgehen hielt ein Diskussionsteilnehmer für illegitim, fühlte sich auf eine falsche Fährte gelockt. Die Information über die Probleme des Paares seien unverzichtbar gewesen, um ihre Emotionen nach der Geburt richtig verstehen und einschätzen zu können. Filmemacher, Hebamme und ein großer Teil des Publikums hielten dies für absolut unwichtig für das Verständnis und die Wirkung des Films, als Information mit anekdotischem Charakter, die aber nicht als Fälschung gewertet werden könne.

Wohl größtes Lob für den Film von einer Frau: In seiner selbstverständlichen, schlichten und mit einfachen Mitteln gemachten Art nähme der Film Ängste vor einer Geburt.

 © Kinemathek im Ruhrgebiet, Foto: Paul Hofmann
© Kinemathek im Ruhrgebiet, Foto: Paul Hofmann