Film

Weint nicht, wenn sie unsere Hütten abreißen
von Chris Austin
DE 1980 | 55 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 4
21.09.1980

Diskussion
Podium: Ruth Weiss, Chris Austin, Peter Chapell, Gerhard Schmidt
Moderation: Jutta Uhl

Protokoll

Zu Fragen der Produktion:
Der Film verfolgt den Alltag von fünf schwarzen Frauen in Südafrika die getrennt von ihren Männern und Kindern leben und arbeiten müssen: im Ghetto von Soweto, als Hausangestellte bei einer weißen Familie, in einem zugewiesenen Reservat und in einem gefängnisähnlichen Heim zusammengepfercht. Dazwischen bringt der Film Interviews mit Frauen die aufgrund ihrer politischen Arbeit ‚ gegen das Apartheidregime verfolgt, gefangengenommen, gefoltert und verbannt wurden.
Die Autoren waren nicht anwesend für sie und über sie versuchte der Produzent Gerhard Schmidt Antworten und Informationen zum Film zu geben: Ruth Weiss ist Südafrikanerin, in London und Köln lebend, Chris Austin, ebenfalls Südafrikaner, lebt in London. Dies ist sein zweiter Film; der Engländer Peter Chappell hat Kamera geführt. Sie hatten seit zwei Jahren zu diesem Thema recherchiert, fanden aber keinen offiziellen Geldgeber und konnten ihn schließlich als freie Produktion realisieren. Fernsehanstalten in England und der Bundesrepublik wollten/ konnten den Film nicht produzieren, weil illegal gedreht werden mußte und sie um ihre Korrespondenten fürchteten.
Die Produktion des Films hat (zusammen mit einem zweiten Film „Ich spreche über mich – Ich bin Afrika”) 250 000 Mark gekostet, davon hat der WDR 150 000 Mark übernommen. Verbreitet wird der Film in der Bundesrepublik auch über die Landeszentrale für politische Bildung und die evangelische Kirche, die die nichtkommerziellen Auswertungsrechte gekauft haben. Darüberhinaus soll er auch von ausländischen Fernsehanstalten ausgestrahlt werden. Das internationale Interesse an diesem Film war auch ein Grund dafür, daß er überhaupt produziert werden konnte, weil dadurch eine weitgehende Finanzierung möglich wurde. Viele Aufnahmen wurden nur durch Initiative und Engagement der Filmemacher möglich und mußten mit versteckter Kamera gedreht werden. Das Interview mit Winnie Mandela, die ständig unter Polizeibeobachtung steht, wurde in einer Arbeitspause in einem Motel gedreht, ohne daß die Polizei es bemerkt hat. Das ist das erste Interview mit ihr, daß überhaupt im Fernsehen erschien.
Der WDR hat auf die Gestaltung des Films nur soweit Einfluß genommen, daß er die Aussagen der Frauen im Film auch von afrikanischen Frauen sprechen ließ und den Titel änderte. Der Originaltitel heißt „Africa belongs to us”. Mit diesen Änderungen waren die Autoren einverstanden.
Schmidt berichtete, die Autoren hätten versichert, daß die gezeigten Frauen in Südafrika nicht ausfindig gemacht werden könnten und von daher Repressionen nicht zu befürchten seien. Auch gegen die Politikerinnen, die zu Wort kommen, habe es bisher keine Repressalien gegeben, wohl aus der Vermutung heraus, der Film würde in der BRD „untergehen”. Trotz des späten Sendetermins (23 Uhr) hätten im Mai aber rund 7 Mio. Zuschauer den Film gesehen.

Einzelne Aspekte der Diskussion:
– Die Numerierung der einzelnen Teile erschien einem Zuschauer bewußt aufgesetzt, zumal die Gefilmten immer von einer Einheit sprachen, die ihr Zusammenleben bestimmte. Schmidt nahm an, die Autoren hätten es so gemacht, um zu verhindern, daß die Bilder auseinandergerissen würden.
– Einige Zuschauer vermißten genauere Bilder zu den alltäglichen Lehensumständen. Abgesehen von dem Problem, daß die Drehmöglichkeiten stark eingeschränkt waren, hätten siez. B. bei der ersten Frau, die 13 Kinder zu versorgen hatte, gern etwas von dieser Arbeit gesehen. Sie sahen da einen Widerspruch, zumal auch die Frau häufiger sagt, sie hätte nichts zu tun. Hier hätten sie gern mehr beobachtende Sequenzen gesehen. Schmidt vermutete, es sei den Autoren wohl wichtiger gewesen, die Wohnsituation der Frauen zu zeigen, ihre Isolation, ihre Trennung von dem Mann, der nur einmal pro Jahr einen Tag kommen kann, die Sinnlosigkeit ihrer Tätigkeit ohne familiären und sozialen Zusammenhang als Arbeiten zu zeigen, die nicht spezifisch durch das System geprägt sind. Die Mühe, 13 Kinder zu versorgen, sei in diesem Sinne zunächst einmal überall ähnlich.
Andere stimmten dem zu und empfanden es als Stärke des Films, die Aspekte hervorgehoben zu haben, die die Auswirkungen des rassistischen Systems auf konkrete Personen und Situationen bildlich verdeutlichten. Positiv bewertet wurde auch, daß der Film keine spektakulären Aktionen zum Anlaß genommen hätte, sondern in „bescheidener Weise” die Lebensumstände und die Reaktionen der einzelnen Frauen darauf dargestellt hat.
– Einen Bruch empfanden einige Teilnehmer zwischen der Darstellung der Frauen und den Interviews mit den Politikerinnen, die verkrampfter gewirkt hätten. Dabei sei das Konzept nicht durchgehalten worden, man hätte gern einen Eindruck davon bekommen, wie diese Politikerinnen lebten. Andere meinten, es sei doch eine wichtige Erfahrung gewesen, einerseits die Frauen zu sehen, die zum Teil schon resigniert hätten und andererseits Frauen zu sehen, die politisch glaubhaft in ihren Äußerungen Selbstbewußtsein und Stärke vermitteln, ohne daß zwischen den beiden Gruppen schon Verbindungen erkennbar geworden wären.
Tief beeindruckt zeigte sich eine Zuschauerin von der Aussage Winnie Mandelas, die die Sorge um ihr eigenes Kind hinter ihrer politischen Arbeit für ihr Volk ganz bewußt zurückstellt. Sie habe zum ersten Mal eine solche Haltung richtig verstehen und akzeptieren können.
– Wichtig war für viele Zuschauer, daß, über den Film angeregt, der Blick auf das gelenkt werden könne, was mit Apartheid bei uns vergleichbar wäre z. B. das Gastarbeiterproblem. Der Film könnte zum Anlaß genommen werden, über die Beziehungen der BRD zu Südafrika nachzudenken, also über die Frage, wie wir über politische und wirtschaftliche Beziehungen das rassistische System unterstützen.