Film

Fünf Minuten – Ende der Welt
von Martin Mühleis, Norbert Wiedmer
DE 1979 | 67 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 3
1979

Diskussion
Protokoll: Uli Opitz

Protokoll

Der Film ist im zweiten Studienjahr an der Münchner Filmhochschule entstanden. Da es sich um eine dokumentarische Beobachtung über einen längeren Zeitraum handelt, war er mit den Mitteln der Hochschule allein nicht zu finanzieren. Deshalb wurde er in Zusammenarbeit mit dem ZDF produziert.

Zur Arbeitsweise erklärte der anwesende Filmemacher Wiedmer: „Um das Milieu kennenzulernen und um ein Vertrauensverhältnis zu den Personen zu erreichen, haben wir uns einen Monat im Pilgerheim aufgehalten, uns mit den Pennern unterhalten, sind mit ihnen in die Kneipe gegangen etc. Wir waren also bekannt und von den beiden Hauptfiguren auch akzeptiert, ebenso waren uns die Orte bekannt, bevor wir mit dem Drehen begannen. Dann haben wir etwas probegedreht, damit sich die Beiden an die Kamera gewöhnen. Als Problem tauchte auf, daß Adolf und Freddy durch die Drehsituation gegenüber den anderen Pennern in eine privilegierte Lage gerieten. Das Problem konnten wir zwar für die Filmarbeit reflektieren, aber auf der sozialen Ebene natürlich nicht lösen.“

Auf die Frage, wie die Filmemacher das bekannte Problem bei solchen Dokumentarfilmen, daß das Team nach dem Film wieder verschwindet, gelöst haben, erklärte Wiedmer, daß sie auch heute noch ab und zu bei den Beiden vorbeischauen, daß sie sie mit in den Schneideraum genommen haben, auch bei den Vorführungen waren sie dabei. Hinzu kommt, daß Freddy bereits ein erfahrener „Filmstar“ ist. Er hat bereits mehreren Filmen mitgewirkt. Das Pilgerheim wurde schon öfters als Drehort vom Fernsehen benutzt. Die Diskussion kreiste dann hauptsächlich um die Frage, ob der Film das Pennerdasein verschönere oder ob er es realistisch abbilde. Ein Sozialarbeiter aus Dortmund, der selbst mit Pennern arbeitet, kritisierte, daß der Film zwar spaßig und erheiternd sei, aber nichts vom trostlosen Alltagsleben der Penner zeige. Er machte den Vorschlag, daß bei der Sendung im Fernsehen anschließend eine Diskussion über die Problematik gezeigt werden müsse. Wiedmer führte aus, sie hätten die Gefahr der Beschönigung der Realität aufgrund der Auswahl der beiden Hauptfiguren gesehen. Dem versuchten sie durch den Aufbau der Randfiguren zu begegnen, die weniger eloquent und mit weniger Selbstironie ihre Lage darstellten.

Es wurde kritisiert, daß der Film nicht ambivalent sei, sondern eine Penner-Idylle zeige, die so in der Realität nicht existiere. Die beiden Hauptfiguren seien nicht typisch für die Realität des Pennerdaseins. Dagegen müßte man den Film von Klaus Müller, der letztes Jahr hier in Duisburg gezeigt wurde, im Fernsehen senden, um das Bild zurechtzurücken.

Wiedmer widersprach dieser Kritik und wurde dabei von Teilen des Publikums unterstützt. Gerade die Szene mit der Sozialarbeiterin zeige, wie wenig sich Freddy seiner Selbstironie artikulieren könne, wie er im Grunde den staatlichen Institutionen ausgeliefert sei. Außerdem würde auch in den Szenen mit den Hauptfiguren durchaus deutlich, wie aussichtslos und deprimierend ihre Lage eigentlich sei.

Das bei dem Film oft gelacht wurde, wurde auf der Zuschauerseite auf das ambivalente Verhältnis zurückgeführt dass man selbst zu dieser Randgruppe habe die Intention der Filmemacher wurde von einem Zuschauer unterstützt „Ich finde es gut das der Film nicht mit dem in Elendshammer kommt. Unser Umgang mit diesen Menschen ist oft eine totale Projektion mit Analysen über Hintergründe und Zusammenhänge kommen wir doch auch nicht weiter gut an den Fällen ist das die Ambivalenz: getreten werden und überleben wollen, rauskommt. Die Realität würde falsch abgebildet wenn nur von der Extremsituation der Ausweglosigkeit der Lage die Rede wäre. Die Selbstironie der Hauptfiguren ist auch Selbstschutz.“

Ein weiterer Vorwurf war, dass der Film nur abbilde, aber keine Möglichkeiten zur Veränderung des Situation aufzeige. Ein Sozialarbeiter aus Duisburg: „Die gesellschaftliche Situation braucht kein Verständnis, sondern Veränderung. Dass es diese sozialen Randgruppen gibt, hat eine systembedingte Notwendigkeit. Die Existenz der Penner ist die Drohung an alle, die noch Arbeit haben, sich dem Druck der existierenden Arbeitsbedingungen zu beugen. Die Penner fungieren als lebende Abschreckung für die Anpassung an die herrschenden Bedingungen. Die Sozialämter sind von der Mittelstreichung im staatlichen Bereich am meisten betroffen. Die Sozialarbeiter sind vollkommen überfordert, die Planstellen sind unterbesetzt, andererseits gibt es arbeitslose Sozialarbeiter.“

Diese Frage wurde aus Zeitgründen nicht ausdiskutiert, es wurde nur in Bezug auf den Film darauf hingewiesen, daß die gezeigte Menschlichkeit der Figuren und die Emotionen, die dadurch beim Zuschauer in Gang gesetzt werden, ein guter Ansatz sind, sich ausführlicher mit dem Problem dieser Gruppe zu beschäftigen.