Film

Sing, Iris, Sing
von Monika Held, Gisela Tuchtenhagen
DE 1978 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 2
1978

Diskussion

Protokoll

An der Diskussion beteiligten sich die Frauen aus dem Film. Die Fragen der Zuschauer waren vor allem an sie gerichtet.
Zuschauer: Wie seid ihr mit der Situation, als Frauen einen Männerberuf zu erlernen, fertig geworden?
Eine der beteiligten Frauen: In der Familie hat es schon Probleme gegeben. „Die ist arbeitslos, die geht jetzt erstmal zur Schule, daß sie von der Straße weg ist.” Und zweitens hat das keiner ernst genommen, daß man als Frau überhaupt Elektronikerin werden kann. Von daher gab es schon Probleme, weil man sich ja durchsetzen mußte. Beweisen, daß man auch auf diesem Gebiet überhaupt etwas kann. Und das gab schon Reibereien zwischen den Partnern.
Stellungnahmen der Frauen, was ihnen der Unterricht gebracht hat, auch in ihrer persönlichen Entwicklung.
„Ich bin selbstbewußter geworden. Wenn heute über Dinge gesprochen wird, von denen ich früher keine Ahnung gehabt habe – denn meine Schulbildung war miserabel, bevor ich da angefangen habe – dann merke ich jetzt, daß ich mitreden kann und in vielen Dingen mich nicht mehr so unterdrückt fühle, sondern heute auch selbst das Wort ergreifen kann, wenn ich irgendwo in der Runde sitze. Ich bin selbstbewußter geworden als Frau Männern gegenüber.”
„Mir geht es genauso. Mir ist jetzt auch klar geworden, daß ich nicht mehr bei heiklen Themen ausweichen werde, sondern direkt an eine Sache rangehe, was ich sonst vor mir hergeschoben habe.”
„Ich kann im Grunde das Gleiche sagen. Vor allen Dingen die Kameradschaft der Klasse und die Freundschaft von den Frauen, die hat uns unheimlich zusammengehalten. Und wenn irgendeine von uns einen Tiefpunkt hatte, dann hat eine andere sie wieder aufgehoben. Und deshalb: die zwei Jahre Schule möchte ich auf keinen Fall vermissen. Und da hat die Iris auch vollkommen recht: Denn sie hatte unsere Freundschaft, und die hat sie jetzt noch, obwohl sie aufgehört hat, und wir verkehren privat noch mit ihr, und das meint sie: Das kann ihr keiner nehmen.”
Zuschauer: Wie fühlen sich die Frauen dargestellt im Film? Sehen sie eine große Diskrepanz zwischen der Darstellung im Film und in ihrer Wirklichkeit?
Eine der beteiligten Frauen: Ich finde, daß sie uns in dem Film so gezeigt haben, wie wir wirklich sind und wie es auch am Anfang bei uns in der Schule war. Nur daß im Moment – wir stehen gerade vor der Prüfung – die Situation nicht mehr so wie damals ist, sondern daß wir mehr Druck spüren und der Unterricht viel ernsthafter verläuft wie am Anfang. Anders als wir uns da gegeben haben, konnten wir uns da gar nicht geben, sondern wir haben das gesagt, was wir eben gedacht und auch in dem Moment gefühlt haben, und wir haben nicht irgendwie gespielt oder wie eine Schauspielerin nach Test gesprochen.
Zuchauer: Welche Möglichkeiten gab es für die Gruppe während der Schnittzeit, in den Schneideraum zu kommen und an der Auswahl der Szenen sich zu beteiligen?
Gisela Tuchtenhagen: Der Film ist eine NDR-Produktiun, und wir haben in Hamburg geschnitten.
Wir haben die Sache so gelöst, daß wir 3 Stunden Rohschnitt, das ist die Hälfte von dem jetzt Gezeigten, dort vorgeführt haben im Berufsförderungszentrum und das zur Diskussion gestellt haben, wozu die Frauen stehen können und was sie raus haben möchten. Wobei wir von vornherein gesagt haben, daß wir es den Frauen nicht so einfach machen werden, da einfach etwas rauszuschmeißen!
Zuschauer An die Frauen: Welche Wirkung glauben Sie, hat der Film auf andere, welche Funktion hat er, wo soll er gezeigt werden? Wie ist der Titel „Sing, Iris, sing” zu verstehen?
Gisela Tuchtenhagen: Es ist richtig, daß man die Schwierigkeiten aufgreifen muß und daß irgendwo der Modellehrgang falsch angepackt worden ist. Das war aber überhaupt nicht Thema unseres Films, das kommt natürlich mit rein.
Unsere Aufgabe war, gerade das Selbstbewußtsein zu unterstützen, was eben ganz einfach durch so eine Umschulung und mehr Wissen wächst. Und da setzt auch der Titel an „Sing, Iris, sing”. Weil Iris eine unserer Hauptpersonen im Film war, die es nicht geschafft hat, haben wir den Titel als Zitat übernommen, nicht so platt, daß sie Elvis weitersingt, sondern in dem Sinne, daß im Singen auch etwas liegt, was einfach Mut macht.
Beteiligte Frau: Die Frage nach der Funktion des Films wurde mir auch von einem Mann vom Arbeitsamt gestellt: ob der Film den Frauen gezeigt werden sollte, die in Männerberufe umschulen sollen? Ich habe ihm gesagt, daß der Film gezeigt werden sollte, damit die Frauen die Angst, die am Anfang herrscht, in Männerberufe reinzugehen, durch den Film ein bißchen verlieren. Wir haben Positives und Negatives über den Film gehört, und wir wissen selbst nicht genau, was wir von dem Film halten sollen. Ich meine, wenn man sich selbst auf der Leinwand sieht, dann ist das ganz anders. Wir fanden manche Situationen selbst ulkig, da haben wir uns kaputtgelacht und gesagt, wäre die Szene doch gar nicht drin. Aber jedem wäre das so ergangen, wenn er sich selbst im Film gesehen hätte.
Frauen müssen erstmal verstehen, was der Film darstellen soll. Wenn z. B. jemand den Film psychologisch sieht, dann wird er vielleicht die Hintergründe der Situation ersehen. Wenn jemand den Film sieht und danach beurteilt, kann ich die Frauen meinem Betrieb einstellen oder nicht? Der wird natürlich negativ den Film beurteilen.
Frau: Im Grunde genommen möchte ich das Gleiche sagen. Nur finde ich, daß der Film irgendwie negativ wirkt. Denn erstmal ist das eine Anfangsgruppe, die im Vorkursus ist, und natürlich wird da ein bißchen Spaß dabei gemacht. Da wird die Sache noch gar nicht richtig ernst genommen.
Wenn der Film jetzt überall gezeigt wird, kann leicht der Eindruck entstehen, daß es an für sich alberne Frauen sind, die da dargestellt werden, und sie an den Kochtopf gehörten.
Frau: Mein Vorschlag ist, daß man den Film in Betrieben vorführt und dann hinterher darüber eine Diskussion führt, damit wir z. B. unsere Angst verlieren, in die Betriebe reinzugehen, eben weil da nur Männer arbeiten. Und wir haben schon Angst, daß wir einzeln in Betriebe reinkommen, wo nur Männer arbeiten. Wir sagen z. B. schon, hoffentlich kommen wir zu zwei oder drei Frauen in einen Betrieb, daß wir uns wenigstens gegenseitig helfen können.