Film

Nur auf Druck des politischen Pöbels
von Medienzentrum Ruhr
DE 1984 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 8
10.11.1984

Diskussion
Podium: Medienzentrum Ruhr
Moderation: Edith Schmidt
Protokoll: Jochen Baier

Protokoll

Das Auditorium nahm die Tatsache, daß der Film mit dem Thema Arbeiterbewegung sich beschäftige, mit Genugtuung zur Kenntnis. Es sei gerade jetzt wichtig, in diesem Bereich dokumentarisch zu arbeiten, die Arbeiterbewegung habe ansonsten keine Öffentlichkeit. Es sei aber, wie zunächst ein Diskussionsteilnehmer anmerkte, doch auf die Nerven gegangen, daß die freie Videogruppe diesen Arbeitskampf unter völliger Auslassung einer Reflexion auf ihre eigene Kultur, die eine andere als die der Arbeiter sei, dokumentiere. Die Videogruppe habe doch mit Sicherheit einen anderen Arbeitsbegriff als die dargestellten Arbeiter. Es fehle auch eine qualitative Überlegung zu der Frage, welche Arbeitsplätze denn dort verteidigt würden.

Ohne eine Analyse des Arbeitsbegriffs übernehme man tendenziell den pattern, d e r von Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Krise als Argument für jedes weitere Erpressungsmanöver benutzt werde, nämlich die Gefährdung von Arbeitsplätzen .•.

Der Antwort der Videomacher, wenn man ein halbes Jahr mit den Mönninghoff-Kollegen drehe, falle es doch schwer, in dieser Kürze der Zeit eine Diskussion des Arbeitsbegriffs zu initiieren, andererseits habe man sich mit seiner eigenen Analyse des Arbeitskampfes, die eine theoretische sei, auch heraushalten wollen, wurde e ntgegengehalten, daß die Zitation der Erklärungsmuster der Kollegen und die der Bank einen dritten Standpunkt, den der Filmemacher, benötige, sonst werde der Film zu einer unerträglichen Schwarz/ Weiß-Malerei, die keinen Erkenntnisgewinn bringe.

Pim von der MOB hielt es allerdings für „stinklangweilig“, Studenten über Arbeiter reden zu hören so, wie Studenten Arbeit sich vorstellten. Ein dritter Standpunkt, von dessen Notwendigkeit auch er ausging, müsse aus den inneren Widersprüchen der betrieblichen Situation herausgearbeitet werden. Er nannte als möglichen Anhaltspunkt das auch von den Arbeitern bis zur Schmerzgrenze bemühte Arbeitsethos, jene Sozialpartnerschaft, die als rückwärtsgewandte Utopie den Arbeitskampf durchziehe. Darin müsse man nach Brüchen suchen.

Vom vollbesetzten Podium her wurde hierzu erklärt, daß man im Laufe der Arbeiten ganz generell theoretische Ansprüche zurückgenommen habe, um die für Hattingen dominante Tatsache einer existenziellen Bedrohung und des Kampfes .gegen diese zu dokumentieren. Andererseits habe man Perspektive versucht einzubringen – unter der Maßgabe, sich selbst herauszuhalten, d.h. man habe die Weiterführungsmodelle der Monninghoff-Kollegen, die leider erst zum Ende des Kampfes sich entwickelt hätten, genau beobachtet. Das Video ziele auch nicht vorwiegend auf Theorie, sondern auf den Öffentlichkeitszusammenhang der Gewerkschaften, in deren Rahmen die IGM-Hattingen eine Sonderstellung einnehme.

Ein Diskussionsteilnehmer erklärte das Band für phasenweise schwer erträglich, was seine Ursache jedoch nicht im Fehlen des Filmemacherstandpunkts habe (nicht Filmemacher könnten die Modelle entwickeln, welche aus der Krise führten), sondern in den Krisenmodellen insgesamt. Das Einrichten in der Krise, die Bewältigungskonzepte selbst seien das, was unerträglich sei.

Eben eine solche Situation mache, wie von anderen erneut betont wurde, eine Kritik der familialistischen Arbeitsmoral erforderlich, die nur von Dritten (also den Filmmachern) zu leisten wäre, die nicht in 40 Jahren Sozialpartnerschaft befangen seien.

Eine analytische Ebene, die von den eigenen Aufnahmen zu distanzieren zulasse, so wurde weiterhin angemerkt, eröffne u.U. auch die Möglichkeit, auf die Arbeiter auch über bloße Gespräche hinaus sich einzulassen, die Motive ihrer konservativen Forderung nach Wie – derherstellung der Sozialpartnerschaft zu erkennen z.B. darin, daß diese Leute ihr ganzes Leben (inkl. Ratenzahlungen etc.) auf die Basis der Arbeit, die ihnen nun entzogen werden soll, gestellt hätten.

Man könne aber nun, wie Edith Schrnidt zurückgab, von Videornachern, die überdies soeben ihren ersten Rohschnitt zuwegegebracht hätten, nicht eine Krisenanalyse erwarten, zu der selbst der IGM-Hauptvorstand nicht fähig sei.

Eine Analyse hätte die Gruppe, wie deren Mitglieder selbstbewußt erklärten, sehr wohl geleistet. Ihre Konzeption für den Videofilm beschränke sich aber auf die Fragestellung, was Arbeiter 1984 aus ihrer Geschichte heraus an Konzepten überhaupt entwickeln könnten. Alle hier geführten Diskussionen seien auch in der Gruppe geführt worden, jedoch wollten die Filmmacher im Film nicht in den Vordergrund sich schieben.