Film

The Moon, The Sea, The Mood
von Philipp Mayrhofer, Christian Kobald
AT/FR/IT 2008 | 47 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 32
05.11.2008

Diskussion
Podium: Philipp Mayrhofer, Christian Kobald
Moderation: Birgit Kohler
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

1914 geht der polnische Ethnologe Bronislaw Malinowksi an Bord nach Papua-Neuguinea, um als erster Forscher unter Eingeborenen zu leben. In Europa wird er als Held gefeiert. Was halten die Inselbewohner heute vom Mythos Malinowski?

Protokoll

Was stand am Anfang? Aus einem Uni-Kontext heraus, „Anekdote & Aufzeichnung“ (im Tagebuch), waren beide Filmschaffende schon als Studenten zu Fans der Tagebücher des Ethnologen Bronislaw Malinowski geworden. „Retrospektive“ Tagebücher, die er zwischen 1914 und 1918 in der Südsee verfasste, und die sich um die Erinnerungen an die Ereignisse der Vortage drehen: Ein Bewusstseinsstrom, ein heterogener Lebensbrei, ein Sich- Treiben-Lassen im Reisestrom, einem seltsamen Drehbuch gleich, das einen ethnologischen Helden wie Anti-Helden kreiert, der am Tropen-Alltag verzweifelt, am fernen Krieg in Europa, und am Tod seiner Mutter.

Die Inselbewohner, die kein Fernsehen schauen, aber eine sehr genaue Vorstellung von einer Filmkamera haben und der Macht, die von ihr ausgeht, diese Protagonisten des Films haben auch eine sehr genaue Idee von Malinowski und wissen um seine Bedeutung für den Erhalt ihrer Kulturen. Diese Protagonisten führen die Filmkünstler durch den Film. Lektüre & Reise / Erfahrung & Landschaft. Zeichen in der Landschaft verbürgen die Wahrhaftigkeit bestimmter Mythen, eine wahre Geschichte aus der mythischen Vergangenheit der Vorfahrenwelt, die an bestimmten topographischen Punkten (ein Stein, eine Meerenge) in die heutige Welt hineinstrahlen.

Ein Exotismus, der immer wieder thematisiert wird: Ein Südseeianer träumt von einer Reise ins Land der Bibel oder zu den Tulpenmeeren und Windmühlen Hollands. Ein imaginiertes Holland taucht auf, erträumt an Südseestränden, die ein polnischer Ethnologe vor knapp einhundert Jahren wissenschaftlich untersuchte und zeitgleich in Tagebüchern verarbeitete. Die Differenz des gelebten zum geschriebenen Exotismus – dieser Film will keine Kritik üben am Exotismus, sondern Differenzen zeigen und sichtbar machen. Und die Beziehung des Mythos zur Landschaft.

Ist dies Ganze gar ein Film über TEXTE? Ein bebildeter Textfluß? In den Tropen findet sich nur eine sehr klischierte Bildwelt, mit der man umgehen muss, sagt der Kamermann: Die Landschaft ist dort nicht sehr bildhaltig. Die Sehnsucht, das Gelesene in den Bildern wieder zu finden, Texte lesen & erfahren. Die ICH-Erzählung als textuelles Vehikel, um eine Einheit aufzubauen, dieses ICH als Kunstfigur, mit Korrespondenzen zu Malinowski und auch als alter ego der Filmkünstler. (Das Französische ist dem Geldmangel geschuldet, es soll noch eine deutsche Sprachversion geben.)

Ein ethnographischer Film mit dem implizierten Bewusstsein eines ethnographischen Films: Man erfährt Interessantes über die Yams-Ernte oder über das Kula-Ritual und seine historischen Dimensionen, und sieht gleichzeitig Reisende, die mit Barkassen, Kreuzfahrtschiffen oder Flugzeugen die einheimischen Kulturen verändern.

Zwiespältig aufgenommen und von mehreren Zuschauern hinterfragt wird der Versuch, ein „Gerücht“ filmisch darzustellen: Dass sexuell erregte Frauen nach der Yams-Ernte auf bestimmten Inseln Männer vergewaltigen. Eine permanente Warnung, ob real oder nicht, weiß auf den anderen Inseln niemand. Wenn man sich auf diese „Inseln der Liebe“ wagen würde, wäre es vielleicht um einen geschehen; aber wenn man es nicht riskiert, bleibt dieses Phantasma bestehen. Wie geht man mit solch „exotischen“ Themen um? „Ihr präsentiert im Film nur dieses Gerücht“, wird eingeworfen, „und man ist hinterher auch nicht schlauer.“ Die Filmkünstler wollten an dieser Stelle ihre Bilder aber nicht weiter erklären.