Film

km 43.3 Der Transsylvanische Holzfall
von Georg Tiller, Claudio Pfeifer
AT/DE 2007 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 32
04.11.2008

Diskussion
Podium: Georg Tiller, Claudio Pfeifer
Moderation: Vrääth Öhner
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

Nur über eine Schmalspurbahn ist das Wassertal im rumänisch-ukrainischen Grenzgebiet zu erreichen. Holz wird hier gewonnen. Mit der Bahn kommen die Arbeiter ins Tal, das Holz wird mit ihr abtransportiert. Der Rhythmus des Zugs auf den Gleisen.

Protokoll

Vielleicht hätte man es bei der Produktionsgeschichte belassen sollen…

Zwei Studenten der DFFB Berlin sind „einfach losgefahren“, ohne Wissen über die ökonomischen / gesellschaftlichen / historischen Hintergründe der Gegend, und nichts war „groß vorbereitet“: Sie nahmen sich die Freiheit, aus einem Interesse heraus zu SEHEN, drei Wochen lang, am äußersten Punkt der europäischen Union. Ganze 2.000 Euro hat der Film am Ende gekostet.

Durch einen Freund hatten sie von dieser „Wassertalbahn“ erfahren und durch den Vorsitzenden des Schmalspur-Fanclubs dieser Bahnlinie Michael Schneeberger sind sie dort eingeführt und mit den Hintergründen der Bahngeschichte vertraut gemacht worden. Eine mies inszenierte TV-Produktion über einen Jungen, der zum Lokführer ausgebildet und fortan dort mit Diplom seinen Dienst tut, sowie der aktuelle EU-Beitritt Rumäniens waren dann der Auslöser zu einem eigenen Film. Beide Filmemacher waren vorher nie in Rumänien, sprachen nicht die Landessprache und auch nur etwas Französisch, beides beste Voraussetzungen für die „unglaubliche Fremdheit“, die dieser Film zeigt.

…stattdessen wurde über diesen Film und seine Komposition diskutiert…

In der filmischen Montage wird die Welt zerlegt und neu zusammengesetzt – „wir behaupten in diesem Film viele Räume, die es so überhaupt nicht gibt“. Die bekannten filmtheoretischen Begriffe von „sich öffnenden Räumen“, „Landschaften aus Raum & Zeit“, dem „Flanieren in einer fremden Gegend“ und „filmischen Abschweifungen“ werden in den Diskussionsraum geworfen. Und das jede Reise ohnehin nur eine Fiktion sei (man verlässt einen bekannten Ort um einen neuen kennenzulernen – aber man selbst bleibt derselbe). Filmische Vorbilder werden genannt (Tarkowskijs „Stalker“). In der filmischen Reduktion gelingt eine „ganz starke visuelle Erzählweise“, und es werden Zweifel erhoben, ob Interviews mehr über eine Gegend oder die Menschen erzählen würden als dieses einfache und genaue Beobachten. Im Film werden Gemeinschaften miteinander konfrontiert, die nicht zusammenkommen können (der kleine Sohn eines Holzfällers, der seinen Vater immer begleiten muss, der aber von der Schule träumt und von den für ihn unerreichbaren Mädchen, die auf dem Pausenhof spielen). Die Bilder in diesem Film „schliefen“ und wurden „geweckt“ (sei es durch die abschweifenden TEXTE, gefunden in einem Tagebuchfragment, gekauft auf einem der rumänischen Bahnhöfe, oder durch die anderen BILDER von Hubschraubern, Kreuzfahrtschiffen oder einer sich entkleidenden Frau in nächtlicher Spelunke). Da entdeckt jemand das Motto der Filmwoche in diesem Film!

…und die leidige Frage der Inszenierung…

„Ihr seid da mit eurer Tarkowskij-Vorstellung im Kopf hingefahren und könnt jetzt nicht behaupten, ihr hättet diese Bilder nicht inszeniert (oder gesucht und gefunden)“, meint ein Diskutant, und schließt an: „Natürlich ist der Film großartig!“

„Einen Film ohne Inszenierung gibt es nicht“, sagt Vrääth Öhner. Und Peter Ott ergänzt: „Die Wirklichkeit zeigt sich oft erst, wenn man sie ansticht.“

Was hat der Film mit Rumänien zu tun, den gleichen Film kann man doch auch in der Duisburger Straßenbahn drehen, wirft jemand ein. Was hat dieser Film mit der EU-Außengrenze zu tun, wie im Vorspann behauptet wird, alles was man davon sieht, sei doch nur ein Hubschrauber?, fragt ein anderer. Und: Warum wird dieses männerbündische ‚Getümel’ nicht thematisiert oder zumindest hinterfragt? (worauf die Filmemacher antworten, diesen Vorwurf hätten sie schon oft gehört, aber „das Material war nun mal so“… und gleich darauf die Entstehungsgeschichte der betreffenden Szene zum Besten geben: Sie wollten in der Spelunke eine Musik-Cassette kaufen, die Anwesenden hatten schon einiges getrunken, sie haben angefangen zu filmen, die Frau habe sie dann verfolgt, und sie mussten sich zum Schluss gar mit der Kamera verstecken… hihi.) Es fielen weitere beliebte Stichworte von „surrealen Elementen im Film“, „fiktionaler Herangehensweise“, „der Film tut viel dafür als Film erkennbar zu bleiben“.

Ein anderer hat einen „sehr scheuen Film“ gesehen, der die Einsamkeit einer Männerwelt mit all ihren Sehnsüchten zeigt. Ein „naiver“ Blick im besten Sinne des Wortes auf eine fremde Welt. Aber: „Ihr selbst wusstest anscheinend gar nicht, was ihr da tut.“