Synopse
Der Krieg in Afghanistan ist vorbei, jetzt haben die Marketender einiges zu tun. Tonnenweise werden die Lebensmittel eingeflogen – die „International Community“ will essen wie zu Hause. Der Wiederaufbau kostet schließlich Überzeugungskraft: Mit einem Terminverständnis à la Allah geht nichts voran. Ordnung muss schließlich sein. Die Polizei zum Beispiel wird nach der nordrhein-westfälischen Dienstvorschrift eingestellt.
Protokoll
„Der Türke will sein türkisches Olivenöl und die Spanier brauchen Meeresfrüchte für ihre Paella.“
Ein Artikel in einer deutschen Zeitung über Restaurants in der afghanischen Hauptstadt war für Martina Müller der Anstoß zu ihrem Film. Vor ca. einem Jahr nahm sie Kontakt zu einem thailändischen und einem deutschen Restaurant in Kabul auf. Fünf Tage Recherche vor Ort festigten Kontakte und Drehzusagen – die während der Dreharbeiten teilweise wieder zurückgenommen wurden. Institutionen wollten nicht mehr, Kontaktpersonen waren bereits an anderen Orten des Weltgeschehens. So ist Afghanistan. Dass Martina Müller, um ihr Filmmaterial zu bekommen, quasi „von der Hand in den Mund“ leben musste, gilt wahrscheinlich nicht nur für ihre Arbeit dort. Vier Wochen lang hat sie in Kabul gedreht. Vier Wochen lang hat sie mit Menschen geredet, die in Kabul arbeiten: Menschen, die Geschäfte auf den Weg bringen (heute in Kabul und morgen vielleicht schon in Bagdad); Menschen, die Häuser bauen lassen; Menschen, die Einheimische ausbilden, die dann vielleicht woanders arbeiten werden – an Orten, wo man besser verdient.
Interviewpartner wurden zusammengebracht. Dies gelang besonders über die Restaurants. Der Ort fungierte als „Drehscheibe“ für den Film. Dort treffen sich die Ausländer und reden – der eine mehr, der andere weniger gerne. Für Martina Müller sind die Restaurants die Möglichkeit Menschen kennen zu lernen und Gespräche untereinander zu initiieren. Eine Figur leitet so zur nächsten. Ab und an lässt Müller auch die Einheimischen sprechen: Über die Unzulänglichkeit der Hilfeleistungen, über die großartige Hilfe aus Deutschland, darüber, das afghanische Polizistinnen keine Angst vor den Taliban haben dürfen.
Martina Müller wollte das Leben der Menschen zeigen, die für die internationalen Hilfsorganisationen und die UN in Kabul arbeiten. Dreh- und Angelpunkt war das Essen; Essen, das nicht für die Einheimischen bestimmt war und ist.
Vor Ort musste sie manchmal schnell reagieren, wenn sich Drehmöglichkeiten ergaben, musste sich umorientieren, wenn Drehs nicht zustande kamen, und von Bildern, also vom ‚Zeigen’, auf Interviews, auf das ‚Benennen’ zurückgreifen.
Ist der Film ein Dokumentarfilm (Macherin) oder eine dokumentarische Reportage (Moderator) oder ein Fernseh-Feature (Diskutantin)? „Shrimps und Schnitzel“ bleibt eng an den Interviews, erzählt weniger durch Bilder, zeigt bewusst wenig „von der Schönheit des Landes“, verzichtet auf Kommentar und Musik.
Das heißt, der Film ist ein… (?)
„Shrimps und Schnitzel“ zeigt den hermetisch abgeschlossenen Raum, die „Käseglocke“: Das ist zu wenig für die Einen, aber Dank „der Löcher in der Käseglocke“ genug für die Anderen.
Und wo bleibt die Aussage, die Position, der kritische Blick der Filmemacherin? Ist er bereits in den Bildern, in der Auswahl der Statements zu sehen und zu hören?
Die Gespräche im Film offenbaren Strukturen des ‚Arbeitssystems’ in Kabul. Das ist nicht „investigativ“ aber „atmosphärisch“, so ein Diskussionsteilnehmer. Martina Müller wollte sich nicht über ihre Interviewten stellen, sie versteht den Widerspruch der Ausländer vor Ort und hat diesen teilweise selbst so gelebt: den Widerspruch zwischen „ich bin froh, eine Dusche im Zimmer gehabt zu haben“ und „ich helfe ja auch den Menschen“. Und was sagen die Einheimischen, die Mitarbeiter und Angestellten zu den ‚Helfern’? Martina Müller sagt: „Ich hätte von den Einheimischen auch nichts Kritisches bekommen, die sind unheimlich froh, diese Jobs zu haben“. Wen wundert’s?
Aber wer weiß schon, wie lange die Ausländer noch in Kabul sind und was dann wird?
Inshallah