Film

Sarajevo Guided Tours. A Journey to a Real and Imagined Place
von Isa Rosenberger
AT 2002 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 26
08.11.2002

Diskussion
Podium: Isa Rosenberger
Moderation: Fred Truniger
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

In 8 Episoden erzählen junge Menschen von ihrer besonderen Beziehung zu Orten in der ehemaligen Kriegsstadt Sarajevo. Die alte Schule, der Balkon, die Straßenkreuzung, das Fußballstadion. Eine persönliche, emotionale Beschreibung ihrer Heimat, ohne Rührseligkeit und Anklage. Kennen Sie schon „agda“?

Protokoll

Eine Einladung des Sarajewo Center of Contemporary Art versetzt Isa Rosenberger an einen ihr fremden Ort, den sie sich als Außenstehende / Touristin erschließen wollte. Sie fragt einen kleinen Kreis von Leuten, ob diese ihr Orte zeigen würden, die eine besondere persönliche Bedeutung haben:

Tourist ⎛

Sarajewo

Einwohner ™

Fremd

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Ort Erlebnis

© ∑

Freund

So werden in kurzer Zeit viele Blicke frei auf diese Stadt. Ein besonders eindrucksvolles Bild hinterlässt der Rollstuhlfahrer: Manchmal tragen nur noch (menschliche) Körper ein final mark des Krieges, das Stadtbild im Hintergrund zeigt diese Schäden nicht mehr.

In den Gesprächen zeigten sich die Leute sehr offen, und sie wollten nicht nur auf ihre Kriegserlebnisse reduziert werden. Herrscht „Normalität“, wenn man nicht mehr oder nur noch sehr beiläufig vom Krieg spricht?

Der beschränkte Wortschatz des international pidgin-Englisch ist manchmal die einzige gemeinsame Sprache, und die daraus resultierende Unsicherheit/Undeutlichkeit kann eine gemeinsame Plattform des Kennenlernens sein. (Das einzige in Bosnisch geführte Interview erschien Isa Rosenberger dann im Vergleich zu eloquent und es passte konzeptuell nicht mehr in den Film).

Jemand bemerkt den Gestus des Sprechens dieser Bewohner von Sarajewo (den er auch schon in anderen Filmen wahrgenommen hat): Keine Bitterkeit über den vergangenen Krieg und kein Anflug von Anklage – im Gegensatz etwa zu den Bewohnern Belgrads (in anderen Filmen), die nur über die Schrecken des Krieges lamentieren.

Einen „humorvollen Zugang“ zum Krieg, nennt Isa Rosenberger diese Haltung ihrer Protagonisten, die sich ihr eigenes Stadtterritorium zurückerobern, es sich neu aneignen, etwa wenn sie von den Hügeln auf die Stadt blicken, von Positionen serbischer Heckenschützen mit freier Schuss-Bahn auf den eigenen, rennenden Körper. Oder der Rollstuhlfahrer, dessen Wahrnehmung seines eigenen Lebens sich durch die auf ihn gerichtete mediale Aufmerksamkeit (seine zur eigenen Lähmung führende Schussverletzung wurde von TV-Kameras in die Welt übertragen) als „Glück im Unglück gefilmt zu werden“ versteht, stellt so manches simple Bild von den „bösen Medien“ auf den Kopf – und zeigt gleichzeitig eine Schicksalsergebenheit, die erstaunlich ist.

Sarajevo Guided Tours – a journey to a real and imagined place lief eine Zeitlang am Flughafen von Sarajewo und begrüßt Touristen, Einheimische und nun den Kino-Zuschauer mit einer Unaufgeregtheit, die zum eigenen Erkunden der Stadt und ihrer Bewohner drängt.