Extra

Von der Welt ins Bild. Augenzeugenberichte eines Cinephilen

Duisburger Filmwoche 24
11.11.2000

Podium: Christa Blümlinger (Berlin), Thomas Elsaesser (Amsterdam), Harun Farocki (Berlin)
Moderation: Bert Rebhandl
Protokoll: Torsten Alisch

Film/Bild – Medien/Visuelles

Protokoll

Eine Präsentation des Buches aus dem Verlag Vorwerk 8 mit Texten von Serge Daney.

Serge Daney scheint das Medium Fernsehen – das um die Jahrtausendwende in seiner derzeitigen Form nur ein relativ kurzzeitiges Übergangsmedium vom Kinobild zur heutigen Realtime-WebCam und den zukünftigen digital erstellten Dokumentar-/Phantasie-Produkten darstellt – mit dem leidenschaftlichen Blick eines cinefils, eines Sohn des Kinos zu betrachten & zu analysieren. Serge Daney verkultete das Kino, wenn er über das Fernsehen schrieb. Eine französische Theorie-Diskussion, die zu Godards Spruch vom Versagen des Kinos führte (weil das Kino laut Godard, Auschwitz nicht voraussagen konnte / wollte). Serge Daneys Reden (das in einem ca. 10-minüten Filmausschnitt zu Beginn dieser Sitzung zu sehen war) ähnele dem geschriebenen Godard: nicht wissenschaftlich korrekt, nicht stimmig bis in letzte Detail, aber der spezifischen Denkform des Kinos ähnlich. Das Denken entzündet sich am Sprechen.

Schöne Zitate wurden vom o.g. Podium in die Menge geworfen (die man aber lieber selbst im Buch nachlesen sollte):

Was ein Bild sichtbar macht, ist nicht ein Meer an Licht, sondern ein anderes Bild (zu dem es in Beziehung gesetzt wird / werden müsste).

Die Vorstellung ist das Phantom des Bildes.

Der / Ein Unterschied zwischen dem Visuellen und dem Bild wird philosophiert:

Das Visuelle sei die optische Überprüfung des rein technischen Ablaufs, während Das Bild genau dessen Gegenteil darstelle und sich immer an der Grenze zweier Kraftfelder bewege: Immer fehle ihm etwas (dem Bild) und immer ist es mehr & gleichzeitig weniger als es selbst (das Bild). Das Visuelle sei nicht Sehen sondern Sichten (dem Sichten von Datenbänken ähnlich).

Serge Daney hat in der französischen Libération Anfang der 90er viel über die Fernsehbilder des Golfkriegs geschrieben und die herrschenden Bilder als „Facetten der Macht“ bezeichnet. Er soll die (fehlenden) Bilder vom bombardierten Bagdad eingefordert haben. Farocki scheint sich mit den Texten aus diesr Phase Daneys nicht ganz wohl zu fühlen, er erinnert daran, dass es diese Bagdad-Bilder etwas später ja doch gegeben habe, und dass viele Leute diese Bilder nur sehen wollten, um ihre Täter-Opfer-Klischées vom Fernsehschirm bedient zu bekommen. Mit den Balkan-Kriegen der 90er Jahre scheint das Kino endgültig hinter das Fernsehen zurückgefallen, allenfalls in verspäteten Reflexionen aus dem Abstand von Monaten entstehen fürs Kino noch Filme, die über das vom Fernsehen aktuell gezeigte hinausgehen.

Die Frage nach dem Grund der verspäteten Rezeption Serge Daneys in Deutschland könnte in der „vaterlosen“ Filmemachergeneration des Neuen Deutschen Films liegen, die ihre eigenen „falschen“/bösen Väter durch filmische Zieh-Väter ersetzten (Fassbinder mit Douglas Sirk / Wenders mit Sam Fuller und Nicholas Ray).

Zum Schluss wurden die (kaum noch existierenden) „Pausenfüller“-Filme des Fernsehens angeführt: Hier verschiebe sich die Frage vom Inhalt oder der Form des Mediums zu einer Frage der ZEIT. Zeit wird kostbar. Die Zeit wird zu einem Zeichen der Macht. Heute sei im Fernsehen die Macht über die Zeit wesentlicher als das, was in Form & Inhalt noch gezeigt oder mitgeteilt werde. Die heutigen Internet-Überwachungs-WebCams kann man nur noch im Bewusstsein dieser Zeit- Verschiebung / Zeit-Einschreibung lesen. Hier erfahren wir aktuell den Nullpunkt der neuen Bilder. Was hat uns Serge Daney dazu zu sagen?