Film

Vom deutschen Rand
von Volker Köster
DE 1999 | 135 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 23
02.11.1999

Diskussion
Podium: Volker Köster, Jutta Doberstein (Kamera)
Moderation: Volker Heise
Protokoll: ?

Synopse

In der Mitte beginnend, an die Ränder eines Landes und umgekehrt. Eine Reise gegen den Uhrzeigersinn, entlang Deutschlands Grenzen. Begegnungen mit Bürgern und Grenzposten, Gespräche über die Schönheiten des Landes und das Schengener Abkommen. Und immer wieder Grenzsteine – Deutschland wird eingekreist. Ein Road-Movie eigener Art.

Protokoll

Die Idee ist bestechend einfach: Einmal um Deutschlands Außengrenze herumfahren, ein letztes Mal gewissermaßen, denn mit der Einführung des Euro wird Deutschland Teil eines größeren Staatsgebildes, das sich Europa nennt. Vom deutschen Rand ist ein Road Movie, das die Bewohner und Bewacher der Grenzregionen aufsucht. Radio On, und über den zeitgerafften Landschaften treten Weltlage und Landesbefindlichkeit des Sommers 98 in Wettstreit. Themen sind u.a. die ver”weillte” Deutschlandhymne und auf Schiffen fliehende Albaner, denen kein Asyl gewährt wird.

Heise eröffnet die Diskussion mit der Frage, wie es zu der Entscheidung kam, nicht auf die andere Seite der Grenze zu wechseln. “Um uns wenigstens ansatzweise thematisch einzuschränken”, antwortet Köster. Heise hält das Schlußbild, das die Asylunterkunft des sogenannten Flughafenverfahrens von innen zeigt, für die signifikante Ausnahme. Köster verneint. Die im Juristendeutsch so benannte Transitfiktion sei für ihn ein Teil von Deutschland, also kein Außen.

Distelmayer vermißt das Bild des Anderen, wenn auch nicht als etwas Konkretes, das einzuklagen wäre. Ihm wäre der “Logik des Anderen” nicht genug Rechnung getragen worden. Der Film, führt er aus, verhält sich nicht zu dem Muster des “Du da, wir hier”, das die zahlreich auftretenden Grenzbeamten entwerfen. In gewisser Weise diene er sich der staatlichen Definitionsmacht an, weil er die Logik des Wortes Illegaler nicht brechen würde.

Köster antwortet u.a., daß er keine Einzelschicksale zeigen wollte.

Heise insistiert: “Wo hat der Film sein Zentrum, oder muß er ohne Zentrum sein, weil er vom Rand ist? Sollte ein Psychogramm des Zolls entworfen werden? Worauf sollte es hinauslaufen?”

Althoff, der Redakteur des Films, mischt sich ein: Der Film würde zeigen, wie sich die Beamten auf Legalität und Staatsverständnis zurückziehen. Teil dieses Verhaltens sei eine gebetsmühlenhaft vorgetragene Argumentation, genauer: die repetetive Struktur des PC-Sprechens. Der Versuch war, so Althoff, daß Selbstverständnis des Staates aufzuzeigen, indem man seine Repräsentanten sprechen läßt. Ob das gelungen ist, fragt er rhetorisch in die Runde.

Büttner teilt die Ansicht, daß man beim Drehen ein offenes System etabliert, aber am Schneidetisch könnten, ja müßten dann andere Entscheidungen getroffen werden.

Doberstein geht in die Offensive: “Deutschland ist von Freunden umgeben”, zitiert sie einen der Beamten, “umgeben von sicheren Drittstaaten”. Wieviel Aufwand betrieben wird, um sich vor der Armut zu schützen. Die geradezu panische Angst vor der Armut, die aus diesem freundlichen Sprechen herauszuhören sei.

Büttner will die Sackgasse mit einigen anderen verlassen. Sie lobt den Roadmovie-Charakter des Films, die ungewöhnlich leichte Form, so schwerwiegende Dinge zu verhandeln. Außerdem würde sich der Spaß, den das immer wieder im Bild befindliche Team beim Drehen wohl gehabt habe, übertragen. Außerdem lobt sie, wie einige andere, die Auswahl der Interviewpartner, insbesondere die Deutschdänin, die nach dem Krieg Dänin sein wollte, weil dort alles schöner gewesen sei. Ganz klar, sie formuliert die Einwanderungsgründe. Dem schließt sich Distelmayer an. An dieser Stelle werde die Logik der Macht aufgebrochen, ähnlich wie bei den Deutschen, die in den Niederlanden arbeiten. Plötzlich heißt es nicht mehr, die wollen bei uns arbeiten, sondern wir wollen bei denen arbeiten. Das sei ein gutes Beispiel der von ihm erwünschten Brüche.

Was nicht drin ist, sagt Schneider, bleibt das Problem des Films, der durch das sowohl repetetive als auch epische Verfahren seine Stärken zudecken würde. Warum die Länge, will sie wissen, warum nicht 90 statt 135 Minuten? Köster: “Die Idee war, alle Facetten, denen wir auf unserer Fahrt (die er an anderer Stelle eine Entdeckungsreise nennt) begegnet sind, in den Film aufzunehmen.” Er findet im übrigen nicht, daß der Film zu lang sei.

Auf die abschließende Frage nach der Resonanz beim ZDF antwortet Althoff mit der späten Sendezeit des Kleinen Fernsehspiels. Der späte Sendetermin hätte allerdings den Vorteil, daß lange Formen wegen des offenen Endes produziert werden können. Trotz der Werbung, die gemacht wurde, hätte es keinerlei Presseresonanz gegeben. Die Redaktion sei, ähnlich wie das Auditiorium hier, unterschiedlicher Meinung über den Deutschen Rand.