Film

Schnittstellen
von Harun Farocki
DE/FR 1995 | 20 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
08.11.1995

Diskussion
Protokoll: Antje Ehmann

Protokoll

Nachtrag

Das bisher wohl interessanteste und wichtigste Gespräch – so die Reaktion mehrerer Beteiligter· ereignete sich nach der Präsentation von „Schnittstelle“ mehr oder weniger spontan, informell und unterirdisch im Keller. Hier, aufgrund gehäufter Nachfragen, einige Infos, leider nur aus dem Gedächtnis:

Zu genießen war die Vorführung einer Zwei-Monitor-Installation Harun Farockis, die ursprünglich im Hinblick auf eine Museums-Präsentation und der dort vorherrschenden Rezeptionsweisen konzipiert worden ist, aber auch – natürlich nur auf einem Kanal – im Fernsehen gesendet wurde. Der gewählte Titel „Schnittstelle“ ist in seiner reinen Technizität der wohl passendste Oberbegriff für dieses Projekt, da jeder auf die Semantik der Installation bezogene Titel zu kurz greifen würde: Auf zwei Monitoren zu sehen war ein parallelisierter Zusammenschnitt bio-, filmo- und bibliographischen Materials und damit eine Gleichzeitigkeit von zitierten Bildern aus Filmen des Autors (Monitor 1) und einem Bild des Autors, der eben diese Bilder kommentiert bzw. nochmals zitiert oder sich -auf welche Art auch immer – zu seinen eigenen Produkten und der Tätigkeit filmischen Produzierens ins Verhältnis setzt (Monitor 2).

Die sprachliche Beschreibung der Installation ist komplizierter als ihre visuelle Wahrnehmung – und eben von dem Verhältnis von Bild zu Bild, von Bild zu Wort, und beidem zu ‚Welt‘ handelte die Installation und deren Diskussion.

Als in seiner Signifikanz klärungsbedürftig erwies sich insbesondere die mit der Installation – und auch mit „Arbeiter verlassen die Fabrik“ – realisierte Option für eine (nahezu) ausschließliche Bearbeitung und Montage bereits vorhandener Bilder und gegen Aufnahmen potentiell gegebener neuer Bilder.

Handelt es sich hier um den Versuch einer Radikalisierung des Trends zu reiner Selbstreflexivität des ausdifferenzierten Filmsystems, das alle Bilder schon kennt und sich nur noch auf sich selbst bezieht? Oder geht es hier um die möglicherweise narzißtische Inszenierung eines Autoren-Solipsismus‘ und seiner Weltflucht als autopoietische Endlosschleife – macht ja nicht der Film sich zum Thema, sondern ein filmender Autor sich selbst und sein Geschäft –?

Verschiedene Vorschläge standen sich ratlos gegenüber: „Nach der Filmographie beginnt die Bibliographie“, „nach der Biographie beginnt die Re-Konstruktion des Autors“. Einen solchen endzeitlichen Schleier wollte Farocki nun doch nicht über sein Leben und die Bilder geworfen wissen.

Für eine Erhellung der (in diesem Fall tatsächlich vorhandenen) Vielschichtigkeit der Installation sorgte Andrej Ujica: Seinem Wortbeitrag implizit zu entnehmen war, daß „Schnittstelle“ mindestens folgendes thematisiert: Das Medium von Wort und Bild im allgemeinen, die Worte und Bilder des Autoren Harun Farockis im besonderen; die zunehmende Technologisierung und Abstrahierung von Wort, Bild und Kommunikation (somit die zunehmende Abstraktheit unseres Verhältnisses zur Welt im allgemeinen), die ebenso abstrakter und durchtechnologisierter gewordene Schnittstelle zur Welt, an der sich der Autor Harun Farocki befindet (wörtlichen wie metaphorisch genommen). Sein bibliographisches Verfahren bedeute demnach nicht das Ende von Autobiographie; Farockis Installation, die Ujica sehr gefallen hat, problematisiere in pointierter Aufbereitung die zunehmende Entmaterialisierung von Kommunikation durch moderne Technologien, im Film anschaulich gemacht etwa anhand des symbolisch generalisierten Kommunikationsmediums des Geldes, das bereits mehrere Dematerialisations- und damit Abstraktionsstufen hinter sich gelassen hat: Von der sinnlichen Schwere der Gold/Metallmünze über die hölzerne Leichtigkeit des Papiers zur digitalen Credit-Card. Unsere durch Computertechnologien vorangetriebene, stetig abstrakter werdende Beziehung zur Welt mache die Installation auf unterschiedlichste Weise und in unterschiedlichster Intonation zum Thema. Als Ausdruck nostalgischer Sehnsucht nach unmittelbarem Vollkontakt zur Welt empfand Ujica die immer wieder auftauchende Konstellation von Hand und technischem Gerät, sowie den hiermit (meines Erachtens auch ein wenig lächelnd) dargebotenen Aufweis der Fingerkuppentaktilität von an Schneidegeräten hantierenden Filmemachern resp. Farocki. Der „weiße Handschuh“ fehlte leider – so Farocki -, der eigentlich keine Abschaffung des Wortes durch sich selbst kommentierende Bilder im Sinn hatte, sondern ein Gesamtkunstwerk seiner selbst, mit ständigem Rekurs auf Praxis, Medium, sowie die Historizität des Films und seiner Autoren.