Protokoll
Zu Beginn generelle Informationen zur ORF-Sendereihe „Alltagsgeschichte“, in der Elizabeth T. Spira seit 1985 etwa 38 Filme realisierte: Waren es zu Beginn eher der Oral History verpflichtete Beiträge (über „Kindheit in der Monorchie“ oder den Nationalsozialismus in Österreich), ist dem internen Wechsel dieser Reihe von der „Politischen Information“ in die „Unterhaltungsintendonz“ mehr spielerischer Freiraum zu verdanken. Jetzt sind es eher Reportagen an überschaubaren Orten, über die „Welt der kleinen Leute“ bzw. ihre „Seele“ (Frauen im Kloster oder Reisende im Zug von Wien noch Brotislava, über „Das Kleine Glück im Schrebergarten“ oder „Die verflixten Nachbarn“). Ausgestrahlt zur Prime Time um 21 Uhr erreicht die Reihe „Alltogsgeschichten“ im Schnitt zwischen 800.000 und 1 Million Zuschauer, was für Dokumentarfilme in Österreich außerordentlich viel ist; anders ausgedrückt: Die Porträtierten sind hier zugleich Publikum. Als Erklärung für diesen Erfolg nennt Frau Spiro das Interesse der Österreichischen Zuschauer an den (wenigen!) eigenständigen, Österreichspezifischen Sendungen, die aus dem fremdproduzierten, medialen Einheitsbrei herausragen. Ausgestattet mit einer gewissen Sonderstellung im ORF hatte sie vier Wochen Drehzeit und nochmals vier Wochen für den Schnitt, was etwa das Doppelte an Zeit & Geld ist, das normalerweise für 45-minütige Reportagen zur Verfügung steht.
Die Idee zu „Das Glück ist ein Vogerl“ kam Frau Spira, als sie von einem Schönheits- und Gesangswettbewerb für Vögel in Tirol erfuhr. Dieser Beitrag über skurrile Exoten ist zugleich eine Milieuschilderung alter, einsamer Menschen, ein Film über die Einsamkeit, der die Schaulust der Leute an den Vögeln filmisch transportiert, und der durch die Beziehung zum Vogel eine ganz intime Welt eröffnet: verdinglichte Tiere in der Wohnung und Leute, die stolz auf ihren Nippes sind. Die filmischen Metaphern ergaben sich während des Drehens (die Frau auf dem Bett mit ihrem Bird Lover oder die Küchenszene, wo ein Turm aus Vogelkäfigen Mann & Frau voneinander trennt). Seine filmische These „Vögel sind ein Kinderersotz“ widerlegt der Film selbst durch die alte Frau, die vierzehn Kinder hatte: so löst Spiras Film selbstreflexive Prozesse beim Zuschauer aus. Und: Beklemmend ist der Grad der Infantilisierung, den Leute erreichen, die mit einem Tier vor der Kamera auftreten.
Die an dieser Stelle einsetzende Diskussion über den Film-Kommentar und die Verwendung von Musik erschöpfte sich im altbekannten Austausch von Befindlichkeiten des Auditoriums (bis hin zu „menschenverachtend“ !), worauf Frau Spira nur antwortete, daß gute Filme wahrscheinlich immer Gratwanderungen sein müssen. Ebenso befremdend findet sie die cinephile Diskussion über die andere („bessere“) Machart von Kinofilmen: die Trennung in den Kino-Adel und das Fernseh-Proletariat sei etwas lächerlich, wenn Filme im Kino einige tausend Zuschauer erreichen, ihre Fernsehbeiträge über etwa 1 Million.
Die abschließende, sehr heimelige Diskussion zwischen Österreichern über eine imaginäre Österreichische Seele fand durch Thomas Rothschilds Bemerkung „Wir sind hier auf einem Film- und keinem Seelenfest“ ein glückliches Ende.