Film

Kuckuckskinder
von Andreas Dresen
DE 1994 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 18
09.11.1994

Diskussion
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Achtung! Dies ist eine Parodie!

Die „Diskussion“ wurde eröfnet mit Leders These, daß Fanny weggegangen ist, weil auch das Filmteam gehen will. Na toll, wahrscheinlich war das eine der Ideen dieses „Films“ (oder sollte man sagen, von „dieser Video“?). Sozialarbeiterische Thesen folgten zuhauf, dies sei das progressivste Kinderheim Ostberlins und man wollte ja keinen Film über die Misere von Heimerziehung machen usw. usw. Den Zuschauer auf eine Reise mitnehmen, dessen Ausgang niemand kennt. Ja, ja, dunkler Tunnel in Zeitlupe und dann irgendwo ein helles Licht. Das Team hat im Heim gewohnt und viel mehr Zeit mit den Jugendlichen als mit dem Drehen verbracht. Niemand stellte hier die Frage, ob da nicht irgendwo gef…t wurde. Nein. Nein. „Es sei eine große Vertrautheit entstanden“. Der Filmemacher und die anwesende SFB-Redakteurin wollten auch kein „Ereignis-TV“ (buh, buh, böse Privatfernsehen…) machen, sondern langweilige Geschichten lieber nochmal langweilig von langeiligen Heimkindern nacherzählen lassen. Der Filmemacher hat sich als „Partner“ von Fanny verstanden, sagt er selbst, Beavis & Butt-Hand würden da sagen, „Hä, Hä, Partner. Hähä, hä!“, aber das wäre ja wieder Privatfernsehen. Dietrich Leder bemerkte immerhin den Wunsch des Filmemachers, das Mädchen zum Guten zu verleiten („Hä, Hä, zum Guten, Hähä, Hä!“). Danach ging’s zigmale um WAHRHEIT, ob Fanny denn nun die Wahrheit erzähle oder sich Geschichten ausdenke. Mein Gott, was glaubt ihr denn, was ein 14-jähriges Mädchen tut, wenn sie ohne irgendwelches zutun zum wochenlangen Fernsehstar aufgebaut wird (bei Wahrhol hieß es noch, daß jeder für fünfzehn Minuten zum Star werden kann, und hier gibt man dieser Schlampe glatte 90 Minuten). Die Vergewaltigungsgeschichte… oh gott, oh gott, böse, böse Männer, auch noch junge Türken machen sich über sie her, und die erzählt, das in einer coolheit, da würden selbst BB sagen „This sucks!“. Mal im Ernst, kann man über son langweiliges Fernsehscheiß wirklich noch langweiliger reden??? Für den Freiburger Medienwerkstattvater Dankwart war die Frage von Realität oder Fiktion dieses Jungmädchengequassels von „relevanter Bedeutung“. ECHT. Endlich quoll es dann aus einem Zuschauer raus: Der Film ist ungeheuer EMOTIONAL, endlich kann man „sehen“ (!) wie Rechtsradikalismus entsteht, wo der herkommt (von 14-jährigen Mädchen!), er ist ENTSETZT, genau darüber müsse man doch reden. REDEN, REDEN. „This sucks. Hähä, Hä!“

Endlich meldet sich Klaus Kreimeier zu Wort: Wir ´leben doch alle in einer Medienrealität, und wenn sich Kameras auf solch labile Schlampen richten, is doch logisch, daß die wie wild anfangen zu prahlen, zu lügen, und hardboiled-Aufgeilstories zu erzählen. Klasse, der Filmemacher weiß selbst, daß dies auch ein Film übers Filmemachen ist, wirklich klasse, dabei weiß doch jeder, daß dies vor allem ein Film übers Geldverdienen mit öffentlich-rechtlicher Betroffenheitsquote ist. Fanny hat den Film bisher nicht gesehen, sie hat sich auf die Briefe des Filmemachers nicht gemeldet. Warum denn auch, soll sie ihm um den Hals fallen, nachdem er sie für gutes Geld kostenlos ausgebeutet hat? Dietrich Leder, früher ein Garant treffender Wortwitze, kommt am Schluß dieser „Diskussion“ nicht umhin, dem Filmemacher Verantwortung im Umgang mit Medien zu attestieren. „This sucks!“, aber echt. Endlich kommt mal sowas wie ungefilterter Gefühlsausbruch aus einem Zuschauer raus, wahrscheinlich jemand der Neil Postmann zu ernst genommen at und nie im Leben Fernsehgucken würde, dme also jetzt das erste Mal die Realität um die Augen und Ohren ballert – und dann wird der einfach totgeschwiegen. Keiner geht drauf ein. Echt, im Ernst! Niemanden in der Runde interessiert das. Aber ist wohl kein Wunder bei so ´nem blödes Motto wie „ein.sicht.aus.“. Der Altherrenverein Duisburger Dokumentaristen hat (endlich) abgedankt bzw. taucht nicht mehr auf, aber die Jugend (GENERATION X, oder was?) hat nix mehr zu sagen bzw. dreht behutsame Dokumentarfilme über Grashalmbläser aus Sardinien. Da war ja die Sesamstraße revolutionärer: Wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm!