Protokoll
Am Rande der Welt war der Zuschauer einer so heiß-kalten Folge von Wechselbädern ausgesetzt, daß, wer die nötige Schutzhülle anzulegen vergessen hatte, von Glück sprechen konnte, wenn er ohne leichte Verbrennungen oder Unterkühlungen aus dem Film heraustrat. Der Gradation der Wechselbäder entsprechend hat sich die intensive Diskussion, die erstaunlich konträre Rezeptionsweisen offenlegte, an einer immensen Bandbreite von sachlichen Detailanolysen, erhitzten Aversionsbekundungen und freundlichen Rettungsringauswürfen versucht. Dabei handelte es sich diesmal um einen wirklich lobenswerten Diskussionsstil (das Uberbrodeln miteinbezogen, denn in diesem Falle ventilierte sich kein aggressi· engelodener Dogmatismus, sondern die gespannte Stimmungsübertragung des Films selbst).
Mit der von Didi Danquart aufgeworfenen Frage, wie und warum ein Serbe einen Film über Geergien drehe, wurde sogleich das Kreuzfeuer der Problematik von Subjektivitäts- vs. Objektivitätsanspruch bzw. Deskription vs. Analyse enlfacht.
Rebic gab dezidiert zu verstehen, daß er von Anfang an keine Analyse der politischen Situation Geergiens angestrebt habe, Geergien vielmehr eine exemplarische Platzhalterfunktion eingenommen habe; es hätten auch Bosnien, Kroatien oder was auch immer sein können. Der allgemeingehaltene Titel „Am Rande der Weh“ erläutere ja schon, daß es sich hier um ein auf das ehemalige Jugoslawien übertragbares (Rand-)Phänamen handele. Diverse Parallelen hätten ihm eine hochgradige Identifikation mit der Situation des Landes und den Schicksalen seiner Menschen ermöglicht, wobei der schmerzliche Verlust von Heimat das Hauptmotiv zum Film gebildet habe.
Durch Rebics sensible Worte, aus denen Betroffensein und keine schwammige, allgemeine Betroffenheil sprach, wurde diese emotionale Nähe seines Films eigentlich sofort verständlich. Das änderte ober nichts daran, daß einige (zu hartoder weichgesottene ?) Zuschauer diese Nähe nicht ertragen konnten und sie als „distanzlos11 charakterisierten. Eine Wortmeldung ging so weit, den Film als eine „obszöne Anhäufung von Betroffenheitsmaterial“ zu charakterisieren. Diese Ettiketierung wurde natürlich, als der Sache nicht angemessen, zurückgewiesen. Das dahinterstehende, vehemente Bedürfnis nach analytischem Verständnis, das sich in Form harscher Kritik äußerte, war für viele nicht nachvollziehbar, weil ein Bürgerkrieg per se eben nicht mit Kategorien der Vernunft und ihren Prinzipien zu verstehen sei.