Film

Der schwarze Kasten
von Tamara Trampe, Johann Feindt
DE 1992 | 98 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 16
1992

Diskussion
Podium: Tarmara Trampe
Moderation: Klaus Kreimeier
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

a) PROTOKOLL EINES VERHÖRS
Zeuge I Zuschauer: Die Art der Befragung von Herrn Girke erinnert an Stasi-Methoden, und das „persönliche Umfeld“ eines Menschen zu recherchieren läßt sich auch als „Bespitzelung“ bezeichnen.

Weiterer Z. I Z.: Es entstand ein „unangenehmes Gefühl“ beim Zuschauen, weil hier von vornherein eine klare Trennung in Täter und Opfer vorgenommen wurde. Frau Trampe hätte doch die ganze Zeit von Herrn Girke nur hören wollen: „Jawoll, ich bin schuldig.“ Dieses Gut-Böse-Schema zieht sich durch den ganzen Film und erreicht seinen Höhepunkt bei der Befragung der Psychologen. Auch die formalen Mittel (Lichtsetzung und kalte bläuliche Raumatmosphäre) schaffen eine Verhörsituation.

Festivalleiter Ružička erkannte ebenfalls das Bemühen der Filmemacher, bei Herrn Girke einen Therapie-Effekt mit dem Ziel des Geständnisses und der Umkehr erreichen zu wollen. Merkwürdig kam ihm auch das Insistieren der Filmemacher auf irgendwelchen bedeutsamen Erlebnissen oder Vorkommnissen in Girkes Kindheit vor.

Frau Trampe bestand darauf, daß es sich in ihrem Firn nicht um eine Verhörsituation handelt, weil doch bei einem Verhör jemand gegen seinen Willen zu Aussagen „gezwungen“ werde.

b) Das ICH und die Welt
Frau Trampe fand es erschreckend, daß Herr Girke kein wirkliches Selbstinteresse besitzt, daß er immer nur sagen kann „Ich und wir“ , aber niemals nur „Ich“ und deswegen will er immer ein imaginäres „Wir“ beschützen: den Staat, den Vater usw.

Eine Zuschauerin : „Aber wie soll denn jemand nach sowas wie diesem Lehrer-Notizbuch noch ICH sagen können!?“

Eine weitere Zuschauerin dankte der Filmemacherin für ihren Mut: „Es hat mich frohgemacht, daß wenigstens Du noch Ich sagen kannst!“

c) EinSEHEN und verHÖREN
Heike Kühn begrüßte es, daß endlich mal wieder mit einem Film eine POSITION vertreten wird. (Im Gegensatz zu allzu verständlichem Humer-ismus und „Ich-muß-das-jetzt-aushalten“-Gejammere sicherlich eine Leistung! Sorry, aber das musste ICH mal … , d.P.)

Werner Ružička wies auf die Präfixes der Verben Einsehen und Verhören hin: wenn man die wegließe, bliebe Sehen und Hören übrig.

Frau Trampe hatte vorher schon das Wort EINSICHT definiert: es gehe ihr nicht um SCHULD sondern um VERANTWORTUNG. Es geht darum, daß man lernt, in Dinge und Tatsachen hineinzusehen, statt immer nur Teile davon sehen zu wollen – sie musste allerdings zugeben, daß wenn jemand wie Herr Girke in sich hineinsehe, er nur absolute Leere erblicken würde.

d) Das Reden
Werner Ružička faßte am Schluß seine ersten Eindrücke der diesjährigen Filmwoche zusammen: Früher galt in Duisburg die Maxime „Man kann über alles reden“, und wenn man nur genug miteinander rede, werde sich schon etwas finden lassen. Aber in diesem Jahr gelte vielleicht: „lch will nicht mit Dir reden, weil ich mit Dir nicht reden kann.“