Film

Der Autobahnkrieg
von Thomas Schadt
DE 1992 | 58 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 16
1992

Diskussion
Podium: Thomas Schadt
Moderation: Didi Danquart
Protokoll: Christian Berger

Protokoll

„Der Autobahnkrieg“ läßt Autofahrer während der Fahrt ihren Fahrstil kommentieren und zeichnet ein Bild über den alltäglichen Krieg auf unseren Straßen. Zwei Punkte bestimmten die Diskussion:

Wieviel Grauen und Blut braucht ein Film. um eine Wirkung zu haben. Welche Funktion hat das Lachen über den Horror:

Auf die einleitende Frage, inwieweit die Arbeit an diesem Film TS eigenen Fahrstil beeinflußt habe, antwortete dieser, daß er mehr Abstand halte und versuche, aus der Schußlinie zu gehen. DD merkte an, daß man besonders bei den Brücken mit den Streifen aufpassen müsse. Werner Ružička wollte wissen, ob TS verblüfft oder naiv gewesen sei, was die Antworten seiner Interviewpartner betreffe. Für TS war Offenheit die Voraussetzung, sich in diesen Menschen wiedererkennen zu können. Die Idee zu diesem Film sei durch seine eigenen Zwiespälte entstanden. Ein klares Feindbild sei ihm zu einfach gewesen, vielmehr wolle er zeigen. daß das in jedem von uns drin sei.

Aus dem Publikum wurde der Einwand vorgebracht, der Film sei trotz der Autowracks ein cleaner Film – Im Gegensatz zu einer Explosiv-Reportage über „Nebelraseropfer“ seien die Opfer hier ausgespart worden.

TS berief sich auf Susan Sontags Essay über Kriegsfotografie und erwiderte, · daß diese Entscheidung sehr bewußt sei. Bei blutigen Bildern stelle sich beim Zuschauer sonst oft die Gegenreaktion ein: ·“Gut, daß man nicht dabei ist“. Um diese Reaktion zu verhindern. versuche er, das Grauen harmlos darzustellen. Die Fantasie sei viel gemeiner als blutige Bilder.

Dietrich Leder führte die Augenzeugenvideos von Olaf Kracht an, die mit ihrer Grausamkeit beim ersten Mal das bewußte Oberschreiten einer Tabugrenze gewesen seien, während sie ber ihrer Wiederholung zwei Jahre später nur noch als beliebige Illustrierung des Grauens benutzt worden seien.

TS hielt diese Art von Realjournalismus für sehr gefährlich, da sich nichts wirklich ins Bewußtsein eingrabe. DD fragte nach der Einordnung des eigenen Films – ist dies sauberer Journalismus? TS reklamierte für seinen Film, daß er nicht sauber sei, da die Fantasien der Fahrer nicht sauber seien. Er hält die Trennung zwischen Journalismus und Dokumentarfilm nicht für sinnvoll; er bezeichnete seinen Film als Dokumentarfilm für das Fernsehen, da dieser versuche, den besonderen Ansprüchen des Fernsehens gerecht zu werden. Werner Ružička schlug den Begriff Reportage vor. Er schilderte das Kribbeln und die vorübergehende Katharsis bei der Vorüberfahrt an einem Unfall – in diesem Zusammenhang wäre die […] von Grauen gewesen. Als schamhafter Mensch war TS glücklich, während der Dreharbeiten nicht mit solchen Bildern konfrontiert worden zu sein.

Aus dem Publikum wurde die Diskrepanz zwischen Grauen und Lachen zur Diskussion gestellt. Der Witz des Films erinnere an die „versteckte Kamera“.

TS wollte mit der Gratwanderung zwischen Komik und Grauen Tiefe erreichen. Ein Zuschauer bemängelte die Ebene des „Kavaliersdeliktes“ auf der der Film mit seinen heiteren Stellen stehenbleibe, bis zu den Bildern von dem Massenunfall. Judith Klinger bezeichnete den „Autobahnkrieg“ als ethnographischen Film, da er alle Autofahrer als getarnte Aliens vorführe. In verschiedenen Reaktionen aus dem Publikum wurde die Funktion des Lachens erörtert:

Vom Lachen aus Beklommenheit bis zur unfreiwilligen Komik; beides sei wichtig. Weiter wurde die nach der Auswahl der Autofahrer aufgeworfen, da unter ihnen keine […] Fahrer gewesen seien. TS antwortete, er habe dies so erlebt. lm übrigen habe man nach Vielfahrern gesucht, die das Bild auf der Autobahn entscheidend prägten. Er selbst sei über die Offenheit der Fahrer verblüfft gewesen. Angst habe er beim Drehen nicht gehabt, da man durch die Kamera die Realität anders erlebe. Um dem Film Klarheit zu geben, habe er alle Interviews während des Fahrens aus der gleichen Position aufgenommen.

Dietrich Leder wies auf den dokumentarischen Trick hin, die Interviewpartner zu beschäftigen: hier das Autofahren, das erst diese Intensität des Sprechens ermögliche. Klaus Kreimeier wies auf das Artikulationsvermögen dieser Schicht von Fahrer hin, die zwar keine Viriliotexte fabrizierten, aber trotzdem in hohem Maße ihr Tun reflektierten. In den Antworten zeige sich die kulturelle Faszination über die Schönheit der Maschinen. Hier gäben sich die Fahrer als Produkt der Autowerbung zu erkennen. Die Fahrer spielten eine Souveränität vor, von der sie wüßten, daß sie nicht stimmt.

TS war dies besonders bei einem Fahrer aufgefallen, der sich kurz hintereinander als Opfer und Täter beschrieb. Obwohl er strikt gegen Verbote sei, müßte gewisse Dinge verboten werden.