Protokoll
Nachdem Kuball & Behrens Ende der 70er Jahre in ihrem Film „Familienkino“ westdeutsche Amateurfilme aus der Zeit von 1903 bis in die 60er Jahre vorgeführt. hatten, arbeiteten sie gerade an der 9-teiligen Fernsehserie „Cine Memo“, die sich mit deutschen, französischen und englischen Amateurfilmen beschäftigte, als Ende `89 die Mauer fiel und beide Filmemacher spontan beschlossen, als nächstes die DDR-Amateurfilmszene unter dem Titel „Volkskino“ vorzuführen: Im Anschluß an jede Folge von „Cine Memo“ wurde im Fernsehen ein Trailer ausgestrahlt, der DDR-Filmer dazu aufrief, ihre privaten Werke beim SFB einzureichen.
Das 300-stündige Material kam dann vor allem aus zwei Richtungen: den ehemals halbstaatlichen & geförderten Institutionen wie FDJ- & Betriebsfilmstudios, deren Filme erwartungsgemäß “linientreu“ waren, und vielen wirklich privaten Filmen. Eine dritte Richtung, die in der DDR ab Beginn der 80er Jahre existierte und sich zu einer eigenständigen Super 8 – Szene entwickelte, mit Anklängen an amerikanische underground- Filme der 60er Jahre, wurde bewußt herausgelassen. Kuball & Behrens planen daraus eventuell eine eigene Sendung zu machen.
Ebenso wurden viele der fertig geschnittenen und vertonten Filme weggelasen, weil sie didaktische und oft langweilige „Loblieder auf die Produktion“ waren (was allerdings völlig fehlte, waren Filme über die Kollektivierung der Landwirtschaft!). Stattdessen lud man die Macher in den SFB ein, um Ihr eigenes, unfertiges Material vor dem Fernsehmikrofon zu kommentieren: Manche entdeckten dabei ihre eigenen Filme neu, weil sie sie lange Zeit nicht gesehen hatten (Projektoren waren in der DDR kaum verbreitet). Bei jüngeren Ehepaaren kommentierten beide Partner, bei älteren setzte sich die Frau oft nach hinten und der Mann kommentierte seine Filme allein vorm Mikrofon.
In den Filmen aus den 50er & 60er Jahren glauben die Menschen noch an die Möglichkeiten des Sozialismus, hier sei ein stärkerer Wille vorhanden, Politik, Geschichte & Gesellschaft abzubilden. Dietrich Leder erkannte darin den Versuch, das Offizielle nachzuahmen, der aber oft nicht gelinge, und in den sich so die Wahrheit einschleicht. Während die Filme aus dieser Zeit oft vom „gemeinsamen Urlaub im Betriebsheim“ handelten, also „Urlaub als volkseigener Charakter“, wandten Sich viele Amateurfilmer in den 70er Jahren persönlichen und privaten Szenen zu. Der ironische Umgang mit Wirklichkeit & Material in der 4. Folge begann ab den 80er Jahren, als eine jüngere Generation ihre Filme unbekümmerter drehte.
„Volkskino“ erzähle sehr viel in „Zwischentönen“: Hier werden „Blicke geöffnet“ und keine leblose Sammlertätigkeit betrieben.
Auf die Frage, was mit diesen Bergen von Material geschehe, erzählte Behrens von -bislang allerdings erfolglosen – Bemühungen, ein „Deutsches Amateurfilm Archiv“ zu gründen, um zu verhindern, daß sich diese gefilmte Zeitgeschichte, die noch in vielen Kellern und Dachböden herumliege, in Staub auflöse.