Film

Schnaps im Wasserkessel
von Hans-Erich Viet
DE 1991 | 76 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
13.11.1991

Diskussion
Podium: Hans-Erich Viet
Moderation: Didi Danquart
Protokoll: Lothar Leininger

Protokoll

Die Diskussion zu SCHNAPS IM WASSERKESSEL endete um Viertel nach Zwei…

Der Schnaps im Wasserkessel, der im Hof vor verschlossener Tür des Diskussionsraumes (als Lockmittel für diese Nachmitternachts-Veranstaltung? als Digestif für den gerade gesehenen Film?) gereicht wurde, war denn auch alle geworden. Trotz später Stunde und Alkohol bewegte sich die Diskussion durchaus in geordneten Bahnen, wenn es sich auch eher um eine durch einige Einwände in Gang gebrachte Darstellung der Probleme der Dreharbeiten und des Films seitens Hans-Erich Viets handelte („Die Geschichten zu einem Film sind meistens interessanter als der Film selbst“ H.-E. V.).

Der Film hätte früher aufhören oder später anfangen können, so der erste Einwand von Connie Voester, insgesamt seien zu viele Schwerpunkte angerissen, was den dargestellten Personen nicht gerecht werde bzw. es schwer mache, ihnen auf die Schliche zu kommen.

Darauf entgegnete der Filmemacher, er habe die Dokumentaraufnahmen von 1950, von denen bei Beginn der Dreharbeiten nicht klar gewesen sei, ob es sich um einen realen Film oder ein kollektives Schnapsdelirium handele, als roten Hering (Hitchcock) benutzt, um sich Ostfriesland nach zwanzig Jahren wieder anzunähern. Seine Großeltern seien Landarbeiter gewesen, weswegen es ihm, neben seiner Kenntnis des Ostfriesischen. Leicht gefallen sei, mit den alten Leuten in Kontakt zu kommen. Es gebe aber heute, bedingt durch die Industrialisierung der Landwirtschaft, keine Landarbeiter mehr; deshalb habe er als Kontrast den Arbeiter bei VW Emden porträtiert. Er habe diesen aber nicht mit seiner Vereinsmeierischen Bosselei als Spießer denunzieren wollen. Wesentlich sei bei der Szene am selbstgebastelten Springbrunnen für ihn gewesen, daß der Arbeiter seinen Wunsch/Traum beschreibe, zu seiner Silberhochzeit eine Schiffsreise nach Norwegen zu machen. Die kurz diskutierte Frage, ob Norwegen ein KdF-Urlaubsphantasma sei (Dietrich Leder), oder ob ein Ostfriese mit seinem beschränkten Horizont sich nur eine ähnliche Küste wie die heimische (sic!) vorstellen könne, beantwortete Hans-Erich Viet mit dem Hinweis, der Arbeiter sei früher Seemann gewesen; jüngere Generationen würden durchaus nach Teneriffa fliegen.

Werner Ruzicka war es denn auch egal, wohin die Reise gehen solle; ihn habe die Verbindung von Lebenwunsch und wünschelrutenermitteltem Springbrunnen angerührt.

Die Existenz der Jagdszene im Film begründete Hans-Erich Viet damit, daß er neben den Hobbies des Proletariats (Bosseln incl. Schnapstrinken) auch das der Mittelklasse habe zeigen wollen, insbesondere die Rechtfertigung dieses Hobbys es gebe Schlimmeres als den Tod durch den Jäger.

Der Anfang eines Einwandes von Werner Ruzicka, der um „ldylle-Vorwurf“, „idealer Landarbeiter“ und „Jean Gabin von Ostfriesland“ kreiste, ist aus den zu diesem Zeitpunkt schon etwas unleserlichen Aufzeichnungen des Protokollanten nur noch unvollständig zu rekonstruieren; die Frage jedenfalls war (da ist sich der Protokollant wieder sicher), ob ein Kamerateam öffentliche Kommunikation blockiert oder im Gegenteil in Gang bringt.

Probleme wie z.B. beengte Wohnverhältnisse, so Hans-Erich Viet, würden in der Dorföffentlichkeit selten problematisiert. Der Landarbeiter habe die Drehsituation dazu benutzt, „es denen einmal zu zeigen“. Er habe während des Drehs ein Selbstbewußtsein entwickelt; die dann mit moralischem Impetus vorgetragene Rede sei gut in den Film integrierbar gewesen. Andere Interviewpartner hätten dagegen zu sehr mit ihrer Rolle kokettiert und seien dadurch unbrauchbar gewesen.

Zur Anmerkung Werner Ruzickas, die Bilder bei VW bspw. seien „uninteressiert“ erklärte Hans-Erich Viet, dies sei von vornherein so beabsichtigt gewesen, diese Bilder seien bekannt, Bitomsky habe das bereits verfilmt. Er habe die Tristesse eines Acht-Stunden-Arbeitstages in einem Ausschnitt von eineinhalb Minuten sozusagen zitiert.

Zum Schluß ging es dann noch um Bluesmusik, die in diesem Fall nicht von Ry Cooder war, um Blues als Ausdruck einfacher Leute und Arbeiter, um heulende Wölfe und sentimentale blaue Diamanten.

Abschließend sei noch erwähnt, daß eine Diskussionsteilnehmerin dem Film bescheinigte, der Film führe seine Personen nicht vor, im Gegensatz zu Volker Koepps Märkischem Viertel.