Protokoll
Die Bedingungen der Produktion steckten den Rahmen ab, in dem Hartmut Bitomsky sein „geschichtliches Projektil“ auf die Reise schicken konnte: Das Projekt wurde ihm aufgrund seines Films „Die Reichsautobahn“ vom Fernsehen angetragen. Die Recherche im Werk blieb im Rahmen dessen, was VW gestattete: Ein Aufpasser, genannt „Helfer“, führte ihn durch Hallen und Entwicklungslabors, ab und zu gab es „verschlossene Türen“ , manche Räume waren „zu dunkel“ oder „zu schmutzig“, und bestimmte Dinge in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung blieben einfach „geheim“. Eine Beeinträchtigung seiner Arbeit sah Bitomsky in diesen, ihm vom VW-Konzern auferlegten Beschränkungen nicht. Er sieht auch die ganze Geheimnistuerei um neue Autotypen eher als „Mysterium“ der Autoindustrie: In Wahrheit wisse jeder Autohersteller was der sogenannte Konkurrent demnächst auf den Markt werfen werde. überhaupt sei die PR-Strategie dieses Konzerns sehr liberal~ Man sei sehr daran interessiert, daß der Name VW möglichst oft in der Öffentlichkeit erscheine, daher auch die „betonte Beiläufigkeit“ beim Umgang mit der eigenen Vergangenheit des Konzerns.
Soziologisch studierte Kämpfer melden sich zu Wort: Bitomsky sei der Unternehmer-Ideologie aufgesessen! „Filme können auch bestimmte Bereiche der Realität unsichtbar machen!“ Der Film sei nicht gut recherchiert! Es gäbe auch eine Alternativ-Kultur und Zeitzeugen in Wolfsburg, die interessante Dinge hätten erzählen können! VW sei der soziologisch bestuntersuchteste Betrieb! 30 % süchtig! Wolfsburg sei – gleich nach Berlin! – der zweitgrößte Drogenumschlagplatz! Es fehle jede sozialgeschichtliche Dimension! usw!
„Bilder denken“ heißt das Motto in Duisburg, aber gefragt ist auch einbißchen intelligenteres Zuschauen…
Bitomsky wollte keine „sozialen Schauergeschichten“ erzählen, ist auch nicht als Soziologe in diesen Betrieb gegangen, und wollte die Fabrik nicht in ihrer Totalität wiedergeben: „Was an Arbeit noch zu sehen ist, ist elend genug. Eine Anhäufung von Elend macht Wahrheit nicht größer.“
Einem Zuschauer war das Unverständnis bei den „alten Gewerkschaftsherzen“ angesichts des Fehlens sozialer Probleme in einem Dokumentarfilm über eine Fabrik verständlich, aber dieser Film stehe nun mal nicht in der alten Arbeiterklassetradition sondern visiere das nächste Jahrhundert an: Der Mensch als Anhängsel der Maschine, im Produktionsprozeß überflüssig geworden ist er nur als Konsument (noch?) unentbehrlich. An dieser Stelle wurde noch einmal darauf hingewiesen, daß die Werksangehörigen von VW 10% aller VW-Käufer ausmachen.
Bitomskys Film dreht sich weniger um die konkreten sozialen Zustände an einem Ort als vielmehr um das übergreifende Fortschreiten der Modernisierung: Diese vollautomatische Halle 54 sei gleichzeitig Ergebnis und Abschied einer ganzen Geschichte seit dem 19. Jahrhundert. Dieser Konzern, so Bitomsky, „ist zugleich ein Museum all der anderen Formen von Arbeit, die in diesem Werk auch noch anwesend sind.“
Ein Zuschauer fühlte in diesem Film „eine Technik der totalen Unterkühlung“, die sich über die Bilder äußere. Einem anderen fiel auf, daß die Arbeit eigentlich nur noch im Spazierengehen am Band, im Herumstehen und im Aufpassen bestehe und das diese „Arbeiter“ sich dessen bewußt sein müssen, weil sie sich genieren, wenn sie jemand bei ihrer „Tätigkeit“ filmt.
Eine Zuschauer in fühlte sich mal wieder von einem Film „manipuliert“, weil nach der Sequenz, in der die Testfahrer auf die Kamera zurasen, plötzlich ein herber Schlag er-folge und ein „dummie“ dran glauben müsse. Wieso gerade an dieser Stelle „Manipulation“- stattgefunden haben soll, konnte sie nicht erklären, stattdessen erklärte ihr Hartmut Bitomsky geduldig, daß ein Film nun mal aus Bildern, Tönen und Geräuschen bestehe, die natürlich bestimmte Effekte erzeugen. In diesem Fall dienen diese Effekte aber gerade der Wiederbelebung der Wahrnehmung, die Wahrnehmung also gerade verschärfe statt sie zu manipulieren.
Einer älteren Frau kam der ganze Film dann fragwürdig vor, schließlich müsste doch die ganze technische Produktion in Zukunft einfacher werden statt immer komplizierter. Das alles sei eine ausgesprochen „maskuline Angelegenheit“, wie Männer, die mit Eisenbahnen spielen, und jede Hausfrau würde das überhaupt einfacher machen: Das sei doch völlig absurd, was man da sehe!
Bitomsky: „Es ist absurd, aber komischerweise funktioniert es so.“