Film

Noch leb‘ ich ja
von Medienwerkstatt Franken
DE 1986 | 58 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 11
12.11.1987

Diskussion
Podium: Christoph Latz
Moderation: Bertram Rotermund
Protokoll: Ricarda Wojewski

Protokoll

Die drei Kollektivmitglieder der fünfköpfigen Medienwerkstatt Franken, die das Video mit dem AIDS-kranken Peter drehten, waren nicht anwesend. Sie arbeiteten an einem Nachfolgeprojekt in Amerika, dem Aufenthaltsort des aus Deutschland kommenden Peter. C. Latz aus dem Kollektiv – selber nicht direkt beteiligt an diesem Projekt – beantwortete die Fragen, soweit es ihm möglich war. „Man kriegt doch ’ne Menge mit“, so C. Latz.

Rotermund bemerkte, daß über große Strecken des Films einfühlsam vorgegangen wurde, daß man Peter nahe gekommen sei. Die Ausnahme sei die Friedhofsszene mit dem eingeblendeten Totenkopf-Grabmal. Obwohl Peter gesagt hätte „Mir reicht’s“, wäre weiter an diesem Standort gedreht worden. Diese Situation sei mißbraucht worden, auch durch impertinentes Nachfragen. „Da krampft sich mir alles zusammen“. (B. Rotermund)

Latz stimmte dem zu, erklärte jedoch, daß Michael Aue, Interviewer und enger Freund Peters, Kollektivmitglied und an dem Projekt beteiligt, unmittelbar an dem Johannisfriedhof wohne. Michael und Peter seien auch früher oft dort spazieren gegangen. Die Nachfrage Michaels zu Peters Verhalten sei unbeschreiblich unsensibel, fürchterlich. Es gäbe auch andere Szenen, in denen Michael Schwierigkeiten habe zu fragen, er sei nicht psychologisch geschult. Dennoch fände er es mutig, diese Situation drinzulassen, er hätte sie heraus geschnitten. Sie wäre kontrovers im Kollektiv diskutiert worden, doch die Filmemacher hätten die letzte Entscheidung innerhalb des Kollektivs.

Ein Zuschauer verwies auf die Freundschaft zwischen Michael und Peter. Da beide sich gut kannten, hätte dies eine andere Bedeutung, die für Außenstehende in diesem Sinne nicht nachvollziehbar sei.

Latz sah die für Peter als hart empfundene Szene auch etwas abgemildert durch die Freundschaft der beiden. Michael habe sich, seiner Meinung nach, auch beim Thema Sexualität von Peter entfernt, er (Michael) habe nicht genügend berücksichtigt, daß Peter ein AIDS-Betroffener sei und er ein Gesunder.

Von einem Zuschauer wurde moniert, daß der Tod Peters vom Interviewer vorweggenommen wurde, dagegen stünde die positive Einstellung des Betroffenen. Es wurde gefragt, ob das Todesthema zu umgehen gewesen sei; besonders negativ empfunden wurde von einigen die Schlußszene am Ufer, in der Michael noch einmal alles abfragte.

Latz wehrte sich gegen das Hochziehen dieses Themas, im Film insgesamt gehe es um den Tod und am Filmende sei doch “eine irre Szene, ein totaler Kick“ (als Peter, selber darüber erstaunt, erzählte, daß ihn das abgebrochene Studium reut ).

Auf die Frage, ob bewußt keine illustrierenden Bilder zum Ton ausgesucht worden seien, nannte C. Latz die Herbstlandschaft und den Wannsee als klassische Symbole (für Vergänglichkeit und Ruhe). „Noch stärker hebt es dann ab“, fügte er hinzu.

Die Verquickung von Gesellschaft und Individuum wäre – so B. Rotermund – in der Anfangsszene thematisiert. Peter würde sich schminken, seine sichtbar erkrankten Hautstellen verdecken, doch dieser Aspekt würde nicht weiterverfolgt. C. Rotermund begründete dieses Vorgehen damit, daß Peter seine Krankheit in San Franzisco erlebe, er gehe in einer offenen und expressiven Weise mit seiner Krankheit um. Dieser Film sei vor der Gauweilerpolitik entstanden und Peter wollte sich nicht zu stark auf die hiesige Situation beziehen, die er ja nicht kenne (da er zu Besuch sei).

Nach der Resonanz auf den Film befragt, erwähnte C. Latz die AIDS-Hilfe, die den Film in großer Stückzahl eingesetzt habe. Durch den Verleih hätten sie eine große Rückmeldung. Er sei im Fernsehen gezeigt worden und würde verstärkt im klinischen Pflegebereich eingesetzt. Allgemein sei die Resonanz positiv, da das Tabu Sterben thematisiert worden sei.

Abschließend erläuterte c. Latz das Nachfolgeprojekt. In ihm gehe es um die psycho-sozialen Einrichtungen in den Vereinigten Staaten, um Peter und um AIDS.

Die Finanzierung des Nachfolgeprojekts sei eine Ausnahme, da die Finanzierung schon im Vorfeld durch die Deutsche AIDS-Hilfe gesichert sei (sie hätten eine mündliche Zusage). Dieser Film, das erste Projekt mit Peter, sei nachträglich finanziert worden.