Protokoll
Die Diskussion des Films sollte auf den Film selbst sich beschränken, schlug Dietrich Leder vor, da in der unmittelbar anschließenden Diskussion über Geschichte und Perspektiven des öffentlich-rechtlichen Fernsehens das Thema des Films sowieso Thema der Diskussion sein wird.
Angesichts der riesigen Programmfülle des Fernsehens galt die erste Frage den Auswahlkriterien für die im Film präsentierten Ausschnitte und erwähnten Produktionen. Heinrich Breloer begründete die Auswahl mit der Intention, einen Film über das 3. Programm als Kulturprogramm, das in der Konkurrenz mit zukünftigen kommerziellen Programmen eine Überlebenschance hat, zu erstellen. Die Idee hierzu war ihm von Peter von Rüden angetragen worden. Der Filme wolle ausdrücklich keine Fernsehgeschichte schreiben, sondern am Impetus der 60iger Jahre ansetzen, als die Intellektuellen in dem bis dato verpönten massenmedialen Kasperletheater mitzuarbeiten begannen, das Fernehen ernst nahmen. Da er diesen Umbruch in den 60iger Jahren selbst als Zuschauer verfolgt hatte, war es ihm möglich, ohne eine – nicht zu leistendene – Sichtung der Archivbestände auf Sendungen bezug zu nehmen, die eine Diskussion des 3.Programms erlauben. Dennoch hätte der geplante Zeitrahmen von drei Mal 45 Minuten erweitert werden müssen, um die Fülle des Materials bearbeiten zu können.
Da ja ein Teil dieser Geschichte nicht mehr bezeugbar ist, wollte Karl Saurer wissen, ob dieser Umstand für ihn nicht wie für jeden Historiker ein Problem gewesen sei. Für die Erstellung dieses Films sei noch immer genügend Material auffindbar gewesen, auch wenn einige Fernsehspiele nur haben erwähnt werden können. Doch als allgemeines Problem, daß das Fernsehen seine eigene Geschichte lösche, fände er traurig, bekundete Heinrich Breloer. Diesen Druck der Revisionsabteilung, die aus Kostengründen, für eine zweite Überspielung, MAZ-Bänder mit alten Sendungen löschen läßt, formulierte er politisch als Enteignung des Publikums, mit dessen Geld diese Sendungen produziert worden waren.
Bevor mit aller Entschiedenheit die Darstellung der Geschichte von den Diskutanten angegangen wurde, erläuterte Heinrich Breloer zwei Kritikpunkte an der filmischen Form des Beitrags. Die Beobachtung von Dietrich Leder, daß im Ausschnitt zur Sendereihe „Hallo Nachbarn“ die Featureform kritisiert werde, die im 3.Teil in den Korrespondentenberichten benützt werde, begründete Breloer mit der Autorenschaft von Peletier. Karl Saurer kritisierte, daß der Beitrag die Ausschnitte aus Produktionen und die Interviews hart aneinandersetzen würde. Die in den Ausschnitten und Interviews aufkommende Stimmungen würden jäh abgebrochen werden und seien im Gesamtrhythmus des Films nicht aufgehoben. Die videocliphafte Form, wie sie Heinrich Breloer selbst bezeichnete, resultiere eben aus der U-matic-Produktion des Films. Der harte Schnitt sei durch die Videotechnik bedingt, mit der er für diesen Beitrag das erste Mal gearbeitet habe.
Werner Ruzicka unterstützte diese Begründung mit einer Sequenz aus dem Film, in der Heinrich Breloer eine Videokassette ergreift, die er am Ende des 2.Teils als Selbstkritik begreift. Doch nach dieser Einlassung verdächtigte er den Beitrag als ein „Kunstprodukt zur Propaganda“. Er bezweifelte, daß das Damals des 3.Prograrnms soviel besser gewesen sei als das Heute, und vermutete, daß hier der Reichtum des Gelungenen versammelt und daß die Harmonie der Pionierzeit im Film als zu milde fraktioniert aufgezeigt worden sei.
Natürlich habe er, so Breloer, die verteidigenswerten Errungenschaften aufzeigen wollen. Doch habe er auch auf die Crux des 3.Programms, es nicht geschafft zu haben, den Professor und den Clown zusammenzubringen, oft eben ein Professoren-Fernsehen veranstaltet zu haben, erwähnt. Akzeptiert wurde diese Beschreibung des Films nicht. Vermißt wurden die Widersprüche und Fehler in der Entwicklung des 3.Programms. Auch wurde angenommen, daß das Heute im Gestern angelegt gewesen sei. Daß der Film nicht die Geschichte der Fehler erzähle, legitimierte Heinrich Breloer mit der Notwendigkeit einer geschlossenen Form. Jedoch die negativen Einflüsse auf die Programmgestaltung der Einschaltquotenermittlung habe er aufgezeigt. Zum anderen haben die Politiker nicht so früh wie die Intellektuellen das Fernsehen als Machtapparat begriffen. Schon die Macher der ersten Fernsehstunden wie Ernst Schnabel hätten den Apparat zur Erziehung zur Demokratie und zur Aufklärung genutzt, weil die den Zuschauern nicht getraut hatten. Dieser Wille zur Aufklärung habe andere Maßstäbe gehabt, die der Anstrengung, als die heutige Orientierung am ‚König Zuschauer‘.
Der Film jedoch erwecke den Eindruck, daß heute plötzlich potente Macher verloren gegangen seien, weil der Film die Gegenkräfte nicht benenne, beharrte Pepe Danquart auf der geäußerten Kritik. Und wiederum entgegenete Heinrich Breloer dem Einwurf mit der notwendigen Begrenzung auf das gezeigte Material. Nach diesen beständigen kritischen Äußerungen zur zu positiven Darstellung der Entwicklung des 3.Programms sprach Gabi Hübner-Voß die Laudatio, die trotz aller Kritik die Atmosphäre der Runde aufgriff.
Ihr habe in dem Film nichts gefehlt, denn sie wisse um die Verhinderungen, die es gäbe. Aber diese Ansätze zu sehen, vermittele das Gefühl nicht die einzige zu sein, die solche Anliegen an das Fernsehen herantrage. Es sei interessant gewesen, in der Geschichte der Ansätze eine durchgehende Linie wahrzunehmen. Den zweiten Teil lobte sie, weil in ihm die Notwendigkeit des Dokumentarischen deutlich werde. Und gleichsam wie der Film faßte sie ihre Anmerkungen zusammen, indem sie festschrieb, daß auch ein utopischer Entwurf von Nöten sei. Prinzipiell die Arbeit von Heinrich Breloer anerkennend meinte Dietrich Leder, daß im zweiten Teil die Methode von Heinrich Breloer fehle.
Aber Pepe Danquart mußte diese Stimmung stören, indem er nochmals das Fehlen von Zwischentönen einklagte. Nun in der Atmosphäre der Gemeinsamkeit, der gemeinsamen Kritik am Fernsehen, gestand Heinrich Breloer, bevor die Diskussion des Films in die des Fernsehens übergeführt wurde, daß er in seinem Film die Schwäche des 3.Programmms, von den Zuschauern verlassen zu sein, und die Pressionen der Redakteure ausgegrenzt habe.