Protokoll
[Wenn im Protokoll die konkreten Einlassungen M Bueschers teilweise nicht gekennzeichnet sind, so heißt das nicht, daß sie nicht dezidiert Position bezogen hätte – ihre Argumente finden sich in der Darstellung der Arbeitsweise und in den befürwortenden Äußerungen.]
Während der Vorführung verließen etliche Zuschauer das Kino, die anschließende Diskussion war heftiger als es das Protokoll wiederzugeben vermag.
Das Verlassen des Kinos wurde von einer Rednerin in der Richtung interpretiert, daß die Leute den Spiegel des eigenen Konsums nicht hätten ertragen können; einer der Gemeinten begründete sein Rausgehen hingegen mit seinem Ärger über die Menschenfeindlichkeit des Videos.
Gerd Conradt und M Buescher, die zu gleichen Teilen für die Entstehung des Bandes verantwortlich zeichnen würden, hätten nach dem Entwickeln der Idee zunächst aus der DDR gekommene Freunde aus ihrem Bekanntenkreis nach einer Mitwirkung befragt, dann eine Anzeige in eine Zeitung gesetzt, auf die hin 40 – 50 Leute bei ihnen angerufen hätten. 25 davon hätten sie besucht und drei bis vier davon für den Film ausgewählt, ansonsten hätten sie noch weitere Personen gesucht, um das Bild abzurunden (z.B. durch die gedankliche Tiefe des Roland Jahn).
Zu den konkreten Grüßen: Sie hätten sich mit den Leuten getroffen, wären auf ihre Wünsche der Selbstdarstellung eingegangen, hätten per VHS Probeaufnahmen gemacht und die mit den Beteiligten besprachen; damit wollten sie vermeiden, daß die Spots peinlich oder die Menschen einfach nur benutzt würden. Erst wenn die Leute einigermaßen sicher und mit Conradt/Buescher vertraut gewesen seien, hätten sie die eigentlichen Aufnahmen gemacht. Daß es um Bilder für eine Fernsehsendung ginge, sei allen bekannt gewesen. Sie hätten die Beteiligten weder eingeengt nach in ihrer Unbeholfenheit gelassen, sie hätten nur eingegriffen, wenn es um die Vermeidung von Wiederholungen gegangen sei oder um etwas, was negativ auf die Personen hätte zurückfallen können.
Für sie, die Autoren, sei diese Form tatsächlich eine Möglichkeit, Videogrüße in die DDR zu schicken (denkbar als laufende Serie nach Sendeschluß), andererseits würde ihr Video die Absurdität deutscher Verhältnisse spiegeln – und in zehn Jahren ein Dokument sein, wie sich die politische Situation Deutschlands privat niederschlage. Ansonsten hätten sie schon das Problem gesehen, daß die einzelnen Personen in den kurzen Grüßen natürlich nur Knappes vermitteln könnten und das bloße Vorzeigen des Wohnzimmers etwa zu wenig wäre.
Die Befürworter des Bandes sahen in ihm eine gute Spiegelung der deutsch-deutschen Schwierigkeiten. Am Beispiel der beiden Mädchen, die reihenweise Plastikverpackungen für Personen „drüben“ öffneten, zeige sich – und auch uns –, daß diese Verpackungen nicht natürlich seien und sich die DDR-Aussiedler noch nicht an unsere Konsumgewohnheiten assimiliert hätten. Das wirke auf der einen Seite komisch, auf der anderen Seite sei es eine Kritik an den bundesrepublikanischen Verhältnissen.
Natürlich würden die gezeigten Personen besonders exponiert, aber schließlich würde ja auch Wildenhahn Menschen exponieren – und wenn die Leute das wollen, wenn sie da mitmachen, dann sei das in Ordnung. Immerhin würden die Grüße Freude auslösen durch den Effekt, daß Menschen in der DDR bekannte Gesichter wiedersehen könnten – ein Unterhaltungseffekt, der zwischen öffentlichem und privatem läge, aber als Kommunikation in der Öffentlichkeit stattfände – das sei die für alle Beteiligten bekannte Spielregel und würde diese Form bedingen. Darüberhinaus sei bei vielen Beiträgen erahnbar, daß es zusätzlich versteckte Grüße gäbe, die sich dem Außenstehenden nicht erschlössen (z.B. die Münzen).
Das zentrale Argument der Gegner des Bandes beinhaltete die Funktionalisierung der DDR-Aussiedler für eine originelle Filmidee und sonst nichts, sie würden dabei „in die Pfanne gehauen“.
Es wurde auf frühere Filme von und Diskussionen mit Gerd Conradt verwiesen, wo immer wieder ein ähnlicher Eindruck entstanden und diskutiert worden wäre. Konkreter wurde bei „Fernsehgrüße…“ auf den Mann im fahrenden Auto verwiesen – der offenbar wie kein anderer Beteiligter unbewältigte Probleme mit seinem Verlassen der DDR habe. Ausgerechnet ihn während des Konzentration erfordernden Autofahrens reden zu lassen, stehe für die menschenverachtende Haltung der Filmemacher.
Buescher: Es sei die Idee des Mannes gewesen, die sie gerne aufgegriffen hätten, da sie bereits viele Wohnzimmer-Szenen gehabt hätten. Der Mann habe sein Auto präsentieren wollen, ansonsten habe seine gepreßte Sprechweise nichts mit der Aufnahmesituation, sondern mit privaten Hintergründen zu tun.
Verglichen wurde das Video mit „Deutschland Privat“. Bei diesem Film sei der private Exhibitionismus der Leute schamlos ausgenutzt worden (ebenfalls mit deren Einverständnis), doch bei den „Fernsehgrüßen …“ sei es viel schlimmer: Hier würde eine politische Notsituation von Menschen ausgebeutet. Zwischenruf: „Propagandafilm für eine Flucht in die DDR!“ Im übrigen ginge es nicht wirklich um Grüße, sondern um Botschaften mit Ätsch-Effekt: Die Aussiedler präsentierten ihre neue Habe – Haus, Wohnzimmer, Swimming Pool, Auto etc. Ein Zuschauer zeigte sich unsicher: Er habe sich gefragt, ob die Menschen im Film die da drüben gezielt verarschen würden oder nur eine ganz spezielle, einzig dem Gegenüber verständliche Form der Mitteilung gewählt hätten.
Warum niemand aus der Filmbranche bei dem Video mitgemacht habe, wollte eine Zuschauerin wissen; in ihr würden etliche Aussiedler arbeiten. Buescher: Der TV-Kuß stamme von einer solchen Person – ansonsten wollten Künstler und auch Filmschaffende nicht auf die DDR festgelegt werden, da dies ihrer Karriere schaden könnte. Anmerkung der Fragerin: Sie kenne verschiedene solcher Leute – und sei sich sicher, daß sie sich angesichts ihres Bewußtseins um das Medium für einen solchen Film nicht hergegeben hätten.
Eine Befürworterin des Bandes äußerte als Problem des Films die Auswahl der Personen. Buescher: Die anfänglichen Grüße aus der fahrenden U-Bahn ins Haus darüber hätte Absurdität deutlich machen sollen: Man lebe am gleichen Ort, könne aber nicht zusammenkommen; gegen Ende habe Nina Hagens Witz die Schwere der Gedanken des Roland Jahn auflösen sollen, und die Band als Schluß sei einfach klar gewesen – im übrigen hätte es fast nur formale Kriterien der Anordnung der Grüße gegeben. Die Rednerin zu Problemen der Auswahl: Einige Beteiligten hätten sich gemeldet, andere hätten sie haben wollen – damit habe die Strukturierung begonnen und werde der Film in eine bestimmte Richtung gelenkt – z.B. Einheit oder Verschiedenheit. So würden die Grüße/ Aussagen gen Ende hin pointierter – das wirke auf die Aussagen vorher zurück, verändere ihren Gehalt, ließe sie platter erscheinen. Zwischenruf: „Laien können gar nicht einschätzen, wie ihre Aussagen durch Montage verändert werden.“