Film

Recht auf die Auguststraße
von Klaus Helle
DE 1981 | 76 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 5
1981

Diskussion
Podium: Klaus Helle
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Corinna Belz

Protokoll

Der Film Recht auf die Auguststraße, so berichtete Klaus Helle zu Beginn der Diskussion, wurde von der Mieterinitiative durch Spenden selbst finanziert, wodurch es möglich war, schnell auf die aktuelle Situation zu reagieren und unabhängig vom Einspruch eventueller Geldgeber zu arbeiten. Unterstützung von anderen Filmemachern erhielt die Mieterinitiative durch ausgeliehene Geräte und einen Schneidetisch. Man hatte s/w-Filmmaterial aufgetrieben, das zum Teil aus dem Jahr 1966 stammte, und Klaus Helle war unter denjenigen, die am Film mitgearbeitet hatten, der einzige Filmemacher. Nach dieser Schilderung zu den Produktionsbedingungen tauchte die Frage nach der augenblicklichen Situation in der Auguststraße auf. Die Mieterinitiative erzählte, daß die Auguststraße inzwischen privatisiert sei; zwei Häuser wurden abgerissen. Frau Schmidt, die im Film sagt, sie würde sich nicht aus ihrer Wohnung vertreiben lassen, ist ausgezogen. Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus seien die Türschlösser ausgetauscht gewesen, auch habe man ihr das Wasser abgestellt, und schließlich sei sie ausgezogen, weil sie die ständigen Belästigungen nicht mehr ausgehalten habe. Auf die Frage nach dem Verhalten der Stadträte antwortete die Mieterinitiative, die Fronten seien eigentlich schon von Anfang an verhärtet gewesen, da Stadtrat Meya im Vorstand der Stadtsparkasse sitzt, die dem Spekulanten Bauer Kredite für den Häuserkauf gewährt habe und insofern auch an dessen Geschäften interessiert sei. Von den Stadträten sei man „verraten und betrogen“ worden.

An die Programmkommission richtete sich die Frage, warum der Film abgelehnt worden sei. Angela Haardt sagte, sie habe den Film zuerst in einer noch nicht fertigen Fassung am Schneidetisch gesehen; dabei und grundsätzlich sei es immer möglich, daß man sich in Bezug auf die Qualitäten eines Films irre. Dennoch sei sie der Ansicht, daß der erste Teil des I Ins sehr gut sei, die Spannung im zweiten Teil aber immer mehr abnehme. Davon ausgehend, daß die Form eines Films ausschlaggebend für die Vermittlung seines Inhaltes ist, sei die Programmkommission der Meinung gewesen, daß von den über hundert Filmen, die zur Auswahl vorlagen, andere ihr politisches Anliegen formal besser darstellten. Grundsätzliche Schwierigkeit sei gewesen, daß man achtzig Filme ablehnen mußte, dabei habe die Filmwoche sich immer für Filme eingesetzt, die wie Recht auf die Auguststraße unabhängig finanziert wurden. Gleichzeitig sei es ihr aber auch wichtig, Filme zu zeigen, die das Fernsehen produziert, wie z. B. aus der Reihe „Unter deutschen Dächern“. Christoph Hübner erinnerte an das Thema der Duisburger Filmwoche „Bilder aus der Wirklichkeit“ und sagte, gerade auf Grund dieses Anspruchs gehöre Recht auf die Auguststraße in das Programm. Der Film zeige Bilder aus der Wirklichkeit des Ruhrgebiets, bringe zum Ausdruck, wie Menschen dort arbeiten, wie sie ihre Freizeit verbringen und vor allem, wie sie sich wehren. Jemand von der Mieterinitiative erklärte, daß der Film nun dennoch hier gezeigt worden sei, sei in gewisser Hinsicht auch eine Kritik an der Filmwoche, bei der offenbar „heiße“ politische Themen ausgespart würden.

Eine Zuschauerin meinte, daß es für die anwesenden Leute aus der Auguststraße auch interessant sein könnte, wie man den Film erlebt habe. Sie fände die Darstellung der verschiedenen Aktionsformen wichtig, allerdings habe ihr das „Alltägliche“ gefehlt, wie es z. B. in der Szene, in der das Mittagessen gekocht wird, angedeutet sei. Daraufhin wandten die Mitglieder der Mieterinitiative ein, der Film sei über einen Zeitraum von vierzehn Tagen gedreht worden und der „Alltag“ habe tatsächlich so ausgesehen, daß ständig Aktionen ausgedacht, vorbereitet und gemacht worden seien. Z. B. habe jeden Abend ein Programm stattgefunden. Klaus Fischer sagte, man solle daran denken, daß der Film nicht allein ein Film von Klaus Helle sei, sondern der Film der Mieterinitiative; er fände ihn gut, und es sei nicht Aufgabe des Publikums, vorzuschlagen, wie man den Film besser machen könnte. Johannes Flütsch meinte daraufhin, daß politische Aktionsformen, wie der Film sie zeige, auch Teil einer Auseinandersetzung um Kunstformen seien, ein Beispiel dafür, das er sehr schön fände, sei die Sequenz, in der Gedichte vorgelesen werden. So gesehen, könne man auch die Frage, welchen formalen Ausdruck man einer Erfahrung gibt, hier durchaus diskutieren.

Man kam noch einmal auf die augenblickliche Lage in der Auguststraße zu sprechen, und die Mieterinitiative erzählte, daß Herr Bauer, um Zuschüsse (für seine geplanten Altenwohnungen) zu bekommen, einen Betreuervertrag für die alten Leute brache, wofür sich nun die evangelische Kirche entgegen den Interessen der Initiative angeboten habe. Die tatsächlichen Auswirkungen, die die Privatisierung auf die alten Menschen habe, wollen die Stadt und auch die evangelische Kirche nicht sehen, deshalb würde jetzt auch immer behaupten, in der Auguststraße würden schon lange keine alten Leute mehr wohnen. Aus diesem Grunde sei der Einsatz des Films sehr wichtig, damit die Situation in der Auguststraße wieder zum öffentlichen Thema werde. Angela Haardt sagte daran anknüpfen, die Privatisierung sei ein umfassendes Problem vieler Zechensiedlung so z. B. auch in Rheinpreußen und Neumühl, wobei eine zentrale Schwierigkeit die Hilflosigkeit angesichts der finanziellen Verpflichtungen sein. Deshalb sei auch wichtig, wie man eine größere Öffentlichkeit herstellen. Gabriele Hübner-Voß sein den für weniger die Hilflosigkeit als dass Menschen sich zur Wehr setzen, was Mut machen würde. Auf der Filmwoche kennen Filmemacher zusammen, die, indem sie den Film unterstützen, das Anliegen der Mieterin Initiative weiter tragen könnten. Ein Zuschauer sagte, ihm habe der Film auch sehr gut gefallen, und er sei der Ansicht, dass er durch aus einer formalen Diskussion standhalten; dies zeigt sich vor allem in der Sehne mit der alten Frau am Fenster und den Sequenzen mit den Studenten. Daraufhin fragte jemand, ob man auch in der Auguststraße über die Intstandbesetzungen in Berlin und anderen Städten gesprochen habe. Ein alter Mann von der Mieterinitiative meinte, sie sei nicht die Leute, die mit Steinen schmeißen, Aber manchmal habe man auch gut bekommen, wenn man von der Stadt immer abgewiesen und diffamiert würden. Man wolle aber nicht als Chaoten gelten wie die angeblichen Chaoten in Berlin, die ja auch gar keine Karotten sein. Andere Mitglieder der Mieter Initiative erzählten, dass es in der Siedlung noch viel Trauriges gäbe, was sind für mich drin sei. Immerhin wohnten die alten Leute z T. seit 70 Jahren dort, und wenn zu weilen Käufer kämen, um die Häuser zu besichtigen, so ließen sie durchscheinen und sagten auch, dass man sowieso damit rechnen können, dass die alten Mitarbeiter unter der erlegen. Und spekulieren also offensichtlich darauf, dass sie bald sterben. Es müsste auch die Frage gestellt werden, wo denn eigentlich Gewerkschaften blieben, schließlich seine Leute, in der Auguststraße wohnen und die jetzt vertrieben werden sollten, ja Bergleute und ihre Angehörige, die immerhin durch ihre Arbeit den „Wohlfahrtsstaat“ mit begründet hätten. Daran anschließend äußerte eine Zuschauerin die Vermutung dass eine Diskussion über diese politischen Fragen in Duisburg außer Acht gelassen würde, und sie überlege, ob da eine Art von Selbstzensur stattfinden, denn formale Mängel sein ihrer Ansicht nach kein Grund, ein Film mit einem solchen Thema abzulehnen. Karl saurer meinte, die Art und Weise, wie der Film aufgenommen worden sei, Sprecher für seine Qualitäten. Wenn man vergleiche, was man im Programm gesehen habe, und daran denke, dass viele der Beteiligten an diesem Film das erste Mal mit dem Medium gearbeitet hätten, dann sei Rest auf Auguststraße einer der besten Filme in Duisburg. Auf die Frage, ob es möglich sei, die aktuellen Ereignisse noch in den Film aufzunehmen, antwortete die Mieterinitiative, es geschehe so viel, dass es unmöglich sei, den Film jeweils auf den neusten Stand zu bringen. Diesen neuen Informationen müssten dann durch Gespräche nach der Filmvorführung mit den Mitgliedern, die den Einsatz begleiten, eingeholt werden. In diesem Zusammenhang erinnerte Klaus Heller daran dass alle die an der Herstellung des Films aktiv beteiligt waren, berufstätig sein. So seien zum Beispiel die Titel unter Zeitdruck in einer Mittagspause mit einer Bullochs gedreht worden, und unter solchen Umständen seien die Energie natürlich begrenzt. Als nächste Aktion sein Besuchs evangelischen Gottesdienst es geplant, und man sei dabei, eine Dokumentation über die Auguststraße zusammenzustellen.

 © Kinemathek im Ruhrgebiet, Foto: Paul Hofmann
© Kinemathek im Ruhrgebiet, Foto: Paul Hofmann