Protokoll
Der Film wurde mit viel Beifall aufgenommen, der ganz besonders dem anwesenden ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Bruno Belawa galt. Aus seiner Sicht stellt sich die Entstehung des Films so dar, daß eines Tages unvermutet Jungraithmayr zu ihm nach Hause gekommen sei und sich als Filmemacher vorgestellt habe, der mit ihm einen Film machen wolle. Jungraithmayr erzählte, daß es damals allerdings zunächst um einen anderen Film gegangen sei, nämlich um eine Auftragsproduktion für den WDR über ältere Arbeitslose. Er habe aber bald bemerkt, daß Belawa ein besonderer Fall sei, über den er einen eigenen Film maChen wollte. Damals, als er im April 1978 nach dem Urteilsspruch in 2. Instanz, Belawa kennenlernte, habe er den Eindruck gehabt, daß Belawa ohnmächtig sei, weil et‘ von allen Seiten daran gehindert wurde, seiner kämpferischen Position Stimme zu verleihen. Aus einem Gefühl des moralischen Protestes habe er Belawa eine Öffentlichkeit ermöglichen wollen, so daß er sich ohne Einsprüche anderer selbst habe darstellen können.
Diesen Film hat er nicht für oder mit dem Fernsehen realisiert, sondern mit Eigenkapital und unbezahlter Arbeit produziert. Der Sendung im 3. Programm des WDR, 22.15 Uhr, gingen Gespräche voraus, die ein halbes Jahr währten. Mittlerweile ist der Film auch in weiteren dritten Programmen gesendet worden, in allen I ohne Kürzungen. Der WDR hatte sich lediglich eine um Verständnis werbende Anmoderation durch den Filmemacher selbst ausgehandelt. Belawa konnte nach der Ausstrahlung zahlreiche Solidaritätsbekundungen entgegennehmen, die ihn sehr gefreut haben, wenn sie ihn auch nicht darüber hinwegtrösten konnten, daß solche Solidaritätsbekundungen nur sehr spärlich waren, als es seinerzeit auf sie angekommen wäre. In der Gewerkschaft hat der Film weder eine Resonanz ausgelöst noch ist er irgendwann einmal in die Bildungsarbeit aufgenonnmen worden. Eine Vorführung vor einer Reihe von gewerkschaftlichen „Multiplikatoren“ hat vor einiger Zeit zwar stattgefunden, aber überhaupt nichts ergeben. In Langen, dem Wohnsitz Belawas, hat eine Vorführung vor 25 bis Zuschauern stattgefunden, bei der nicht mehr als 2 ehemalige Kollegen zugegen waren. Beim Filmemacher ist der Eindruck entstanden, daß man seitens der Gewerkschaft den Film durch Ignorieren unterdrücken wolle.
Belawa hat in der Diskussion mehrmals das Wort ergriffen, um die für ihn wesentlichen Lehren, die sich aus seinem Fall ziehen lassen, darzutun. Er habe restlos das Vertrauen in den „Rechtsstaat“ verloren, in dem in Wahrheit nur das Kapital regiere. Der Versuch, die vom Betriebsverfassungsgesetz zugesicherten Rechte der Arbeiter auszuschöpfen, habe ihn zu der Einsicht geführt, daß man, auch wenn man nach dem Gesetz im Recht sei – und immerhin hat er ja in 2. Instanz gesiegt -, trotzdem den Kürzeren ziehe. Mit seinen verschiedenen direkten und indirekten Einflußwegen und Privilegien habe das Unternehmertun den „längeren Arm“, gegen den man sich nur wehren kann, indem man ihn „abhacke“. Die Art, wie die Gewerkschaft halbherzig und anpassungsbereit sich in seinem Fall verhalten habe, wie sie die wirklichen Interessen der Arbeiter, die in der Abwendung der Kurzarbeit bestanden hätten, nicht aufgegriffen und ihm die Solidarität verweigert habe, und schließlich auch das Verhalten von Gewerkschaftsmitgliedern im Betriebsrat haben ihn zum Austritt aus der Gewerkschaft veranlaßt. Auf die kritische Frage eines Zuschauers, ob er seinen Gang zum Arbeitsamt, wo er die Unterlagen über die Geschäftsentwicklung des Konzerns abgab, heute nicht mehr ganz richtig fände, da er ihn – ohne seine Betriebsratskollegen von der Richtigkeit solchen Handelns zu überzeugen – auf eigene Faust unternommen habe, erwiderte Belawa, daß der Betriebsrat die Interessen der Arbeiter zu vertreten hatte und selbstverständlich hätte mitziehen müssen bei dieser Aktion, daß aber seine Betriebsratskollegen in ihrer Mehrheit nach ihren persönlichen Interessen gehandelt hätten, um ihre eigene Stellung im Betrieb zu festigen. Einige Zuschauer wunderten sich darüber, daß bei der so eindeutig günstigen Rechtslage für Belawa der Fall nicht weiter betrieben worden sei oder daß das Arbeitsamt nicht als Nebenkläger aufgetreten sei. Sie kritisierten den Film deshalb, weil er an diesem Punkt nicht mehr auf dem „Warum insistierte. Belawa erklärte dazu nochmals, wie er gerade von der Seite, die ihn hätte unterstützen müssen, nach und nach fallengelassen wurde, wobei er es für möglich halte, daß bei der Vergleichslösung der lange Arm des Unternehmens mitgewirkt habe. Es sei wohl aber auch die Ortsverwaltung der Gewerkschaft personell anpasserisch und schlecht besetzt gewesen. Der Rausschmiß eines Betriebsratsvorsitzenden durch Gewerkschafter sei „ein Stück aus dem Tollhaus“.
Es meldeten sich auch kritische Frager, die, ohne Pluralismus und Ausgewogenheit zu fordern, bemängelten, daß der Film nicht auch andere Beteiligte zu Wort kommen lassen würde, beispielsweise, um die Diskrepanz zu den anderen Gewerkschaftskollegen herauszuarbeiten oder um festzustellen, wie weit die Kritik an dem Verhalten der Gewerkschaft überhaupt berechtigt ist. Jungraithmayr antwortete darauf, daß seine Einschränkung auf das, was Belawa zu sagen hatte, einerseits eben daher rühre, ihm die uneingeschränkte Möglichkeit, sich zu äußern, geben zu wollen, andererseits aber auch als Reaktion auf langjährige Fernseherfahrung zu verstehen sei. Der Film sei auf diese Art provokativer geworden, als er es sonst hätte sein können. – Es wurde auch Unzufriedenheit darüber ausgedrückt, daß der Film fast gar nicht Bilder aus dem Leben Belawas enthalte. So verspreche zwar ein Zwischentitel, daß der Film einen Tagesablauf des arbeitslosen Belawa darstellen würde, was dann aber komme, seien nur ein paar Sätze von ihm, die durch keinerlei Bilder ergänzt oder unterstrichen würden. Die Aufnahmen vor dem Werkstor waren da eine rare Ausnahme, die ästhetisch in die richtige Richtung gegangen seien. Jungraithmayr sagte dazu, daß er den Film sehr bewußt so karg gestaltet habe. Er habe absichtlich auf eine Bebilderung der Erzählung Belawas verzichtet, um im Mittelpunkt des Films die Selbstdarstellung dieses Menschen mit seinen eigenen Worten zu haben. Von anderen Zuschauern wurde dieses Verfahren, daß oft aus Hilflosigkeit und filmischer EinfallsIosigkeit verwendet würde, bei diesem Film für konsequent und angemessen gehalten. Den Dialog zwischen Jungraithmayr und Belawa verspüre man gerade als das Intensivste des Films. Eine andere Zuschauerin ergänzte noch, daß die Bilder, in denen Belawa in einer halbnahen Einstellung schweigend an seinem Wohnzimmertisch zu sehen sei, sehr geschickt eine große ästhetische Wirkung entfaltet hätten. Der Elan Bruno Belawas, sein kämpferisches Vorbild und sein Appell, man solle sich darüber Gedanken machen, wie man „die Brüder auf‘s Kreuz legen“ könne, entfachten schließlich auch das Publikum. Es wird ein Brief verfaßt, der mit der Unterstützung möglichst vieler Unterschriften dem DGB drängend empfehlen soll, den Film anzukaufen, um ihn in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit einzusetzen.